Kommissar Piebalgs will Reform
Entwicklungshilfe: Aus für die "Gießkanne"
Eine 180-Grad-Wendung plant die EU in ihrer Entwicklungspolitik. Europa könne nicht der ganzen Welt helfen, argumentiert der EU-Kommissar für Entwicklungshilfe, Andris Piebalgs, im Ö1-Interview. In Zukunft sollen die Millionen fokussierter und in weniger Ländern eingesetzt werden. Und die Entwicklungsländer müssen ihre Erfolge nachweisen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 19.10.2011
Gezielte Schwerpunkte
Das Prinzip Gießkanne hat ausgedient, wenn es nach Andris Piebalgs geht, seit zwei Jahren EU-Kommissar für Entwicklungshilfe. Er will die europäische Entwicklungspolitik reformieren. Allein im Vorjahr hat die EU knapp 54 Milliarden Euro in Entwicklungshilfe gepumpt, das ist mehr als die Hälfte der gesamten weltweiten Ausgaben für Entwicklungspolitik. Bei der Summe an sich will der EU-Kommissar nicht den Hebel ansetzen, sondern bei der Strategie: Weniger Länder und gezieltere Schwerpunktsetzung ist das Credo des EU-Entwicklungskommissars.
"Raus aus China"
So will Piepalgs EU-Mittel aus wirtschaftlich stärkeren Ländern abziehen und es in benachteiligte Regionen schaffen. "Das bedeutet: Raus aus China, raus aus Indien oder Brasilien." Massive Entwicklungshilfe brauchten hingegen Staaten wie Lesotho, Malawi oder auch Afghanistan. Doch auch dort sollen die Milliarden nachhaltig investiert werden, verlangt Andris Piebalgs.
Demokratie, Nahrung und Energie
Kein Geld dürfe an demokratiefeindliche Regimes fließen, die Achtung der Menschenrechte habe oberste Priorität. Eine Erkenntnis aus dem arabischen Frühling: Man müsse noch mehr Aufmerksamkeit auf Menschenrechte und Demokratie legen, so Piebalgs. Eine zentrale Frage der Entwicklungshilfe generell sei die Nahrungssicherheit, gefolgt von Wachstumsfragen und Energieversorgung.
Kritik von zwei Seiten
Unumstritten ist die neue Strategie nicht. Hilfsorganisationen wie etwa Oxfam kritisieren, dass Piebalgs bei Schwellenländern die Hilfe kürzen will. Die zweite Front: Die EU-Mitgliedsstaaten sollen mehr Geld nämlich 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungshilfe aufbringen - ein selbstgestecktes Ziel der EU-Staaten mit unsicherer Umsetzung. Piebalgs weist darauf hin, dass der Anteil im letzten Jahr nur 0,43 Prozent betragen habe. Österreich und die anderen EU-Länder muss Andris Piebalgs von seiner neuen Strategie nun überzeugen. Er will seine Verhandlungen in den kommenden Wochen aufnehmen.
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Oxfam International
EU-Kommission Andris Piebalgs