Kritik im Land an abgelehnter internationaler Hilfe

Türkei: Noch gibt es Überlebende

Vierzig Stunden nach dem schweren Erdbeben im Osten der Türkei werden unter den Trümmern eingestürzter Wohnhäuser immer noch lebende Menschen gefunden. Doch den Rettungsmannschaften läuft allmählich die Zeit davon. Mehr als 280 Tote wurden bereits geborgen. Mittlerweile wird in der Türkei auch Kritik an dem bisherigen Hilfseinsatz laut.

Suche geht weiter

Immer wieder hört man Leute nach Angehörigen rufen, die unter dem Schutt begraben sind. Besonders in der Stadt Ercis, wo das Beben am meisten zerstört hat. Alle paar Stunden kommt es vor, dass jemand lebend herausgezogen wird, und die freiwilligen Helfer dann mit einer Tragbahre zu einem Krankenwagen rennen, weil jetzt, nach so vielen Stunden, keine Minute mehr verloren werden soll.

Morgenjournal, 25.10. 2011

Jugendliche nach 32 Stunden gerettet

So wurden gestern Nacht zwei Jugendliche gerettet, die 32 Stunden unter den Trümmern überlebt hatten. Einer von ihnen, siebzehn Jahre alt, erzählt wie er sich mit seinem Freund unter einem Tisch versteckt hat, als das Haus einstürzte. Die ganze Zeit hätten sich die beiden wie Säuglinge zusammengekrümmt, um genug Platz zu haben, während ringsum Sterbende und Tote lagen. Um gegen ihr Durstgefühl anzukämpfen hätten sie ihre Lippen mit dem eigenen Urin befeuchtet. Junger Mann: "Beim gemeinsamen Ausharren unter dem Tisch habe er verstanden was Freundschaft bedeute, sagt der junge Mann, auch wenn sich die Beiden in diesen 32 Stunden oft gestritten hätten."

Haus komplett flachgedrückt

Als die Rettungstrupps sich schließlich von oben an sie heranarbeiteten, waren die Eingeschlossenen überrascht. Sie hatten gedacht, sie wären noch im zweiten Stock und die Retter würden von unten kommen. Sie hatten einfach nicht bemerkt, dass der zweite Stock sich nun auf Straßenhöhe befand.

Ärzte: Kritik an Regierung

In der Zwischenzeit wird die Kritik an den türkischen Behörden immer lauter. Die Rettungsmannschaften sind schlecht ausgerüstet. Es fehlt an allem, vor allem an Information. Viele Obdachlose wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen. Die Spitäler sind überlastet und teilweise zerstört. Und die Ärzte im Osten der Türkei verstehen nicht, wieso der Gesundheitsminister die Situation schön redet und keine Hilfe von außen zulassen will.

Keine Erdbebenversicherungen

Dazu kommt die Ungewissheit darüber, wie es materiell weiter gehen soll. In der am meisten betroffenen Stadt Ercis war nur jede zehnte Wohnung erdbebenversichert. Und das trotz einer jahrelangen Kampagne der Regierung, die vor den Folgen eines Erdbebens gewarnt hatte.

Gesetze werden großflächig ignoriert

Doch die staatliche Erdbebenversicherung wurde offenbar ebenso ignoriert wie ein Gesetz, das Sanierungsarbeiten für baufällige Häuser in der gesamten Türkei erleichtern sollte. Doch um seine Wohnung oder sein Haus sanieren zu lassen braucht es die Genehmigung sämtlicher Nachbarn und auch Geld. So haben die Meisten darauf gesetzt, dass der Ernstfall niemals eintreten würde.

Nach Schätzung von Versicherungsexperten sind 45 Prozent der türkischen Häuser baufällig. In großen Ballungsräumen wie dem rund um die Stadt Istanbul könnte das Folgen haben, die sich niemand ausmalen will.