Der Preis, den keiner haben will
Big Brother Awards 2011
Der Big Brother Award ist ein Preis, den keiner haben will. Buh-Rufe waren bei der Big-Brother- Awards-Gala vergangenen Dienstag im Wiener Rabenhof-Theater öfter zu hören als tosender Applaus.
8. April 2017, 21:58
Grund zum Feiern haben die Preisträger, die traditionell am Vorabend des österreichischen Nationalfeiertags ausgezeichnet werden, jedoch nicht, sie lassen sich nämlich eher als Verlierer bezeichnen: der Award geht an Personen, Unternehmen oder Einrichtungen, die im Bereich Datenschutz besonders negativ auffallen: durch Datenmissbrauch, Überwachung und unerlaubtes Speichern von Daten beispielsweise.
In Österreich verleiht der Verein Quintessenz heuer zum 13. Mal in vier Kategorien die Negativpreise, gegründet wurden die Big Brother Awards schon 1998 von der britischen Datenschutzorganisation Privacy International.
Sozial-Striptease
Den Preis in der Kategorie Behörden und Verwaltung erhält Renate Christ, Leiterin der MA 40 der Stadt Wien, die für die Vergabe der Mindestsicherung zuständig ist "Mindestsicherungs-Bezieher müssen ein Sozial-Striptease machen", kritisiert Georg Markus Kainz von der Quintessenz, denn die MA 40 gibt die Daten beispielsweise an Vermieter, Krankenkasse, Versicherung und Wien Energie weiter. Laut MA 40 werden die persönlichen Daten nur dann verwendet, wenn es unbedingt notwendig ist.
Datensammelwut der Behörden
Auch in der Kategorie Politik wird die Datensammelwut von Behörden kritisiert, die hier unter dem Deckmantel "Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung" stattfindet. Den Negativpreis bekommen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizministerin Beatrix Karl für ihre Reaktion auf den Amoklauf in Norwegen: Ein geplantes Anti-Terror-Gesetz soll die polizeilichen Befugnisse ausweiten. Nicht nur extremistische Gruppen, sondern jede beliebige Person, der von der Polizei eine schwere Straftat zugetraut wird, soll observiert werden können. Statt der Unschuldsvermutung gelte die "Schuldvermutung" kritisiert die Quintessenz.
Business und Finanzen
Im Bereich Business und Finanzen hat Telekom Chef Hannes Ametsreiter die Nase vorne. Er habe sich mit seiner Aussage "Wir besitzen die Infrastruktur, wir sollten auch entscheiden, wer sie benutzt" gegen die Netzneutralität ausgesprochen, also für das Bevorzugen von bestimmten Datenpaketen im Internet und somit für eine Zwei-Klassengesellschaft im Internet.
Kommunikation und Marketing
In der vierten Kategorie wird ein "üblicher Verdächtiger" ausgezeichnet, so Georg Markus Kainz von der Quintessenz: der Herausgeber der Tageszeitung "Österreich" Wolfgang Fellner. Die Tageszeitung hat einen 80-jährigen Oberösterreicher, der verdächtigt wurde, seine Töchter jahrelang missbraucht zu haben, mit Fotos und Schlagzeilen wie "Das ist der Inzest-Opa" vorverurteilt und somit jegliches Recht auf Privatsphäre ignoriert.
Lebenslanges Ärgernis und Defensor Libertatis
Zwei extra Auszeichnungen drehen sich um das soziale Netzwerk Facebook. Den Preis für "Lebenslanges Ärgernis" verleiht der Verein Quintessenz aus Frustration heraus an Institutionen, Firmen und Personen, die nicht aufhören, negativ aufzufallen: diesmal an Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.
Neben den vielen Negativ-Auszeichnungen vergibt die Quintessenz auch einen Preis, der zur Abwechslung gern und persönlich entgegengenommen wird. Honoriert wird jemand, der vormacht, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, etwas zu ändern, sich zu wehren und nicht jeden Datenmissbrauch still über sich ergehen lassen muss: Der Positivpreis "Defensor Libertatis" geht an den Wiener Jus Studenten Max Schrems.
Er erntet großen Applaus: mit seiner Initiative Europe vs. Facebook hat Schrems 22 Anzeigen gegen Facebook Ireland eingereicht, da Facebook gegen europäische Datenschutzrichtlinien verstoße.
Obwohl oder gerade weil der Big Brother Award ein Negativpreis ist, erhofft sich Georg Markus Kainz Reaktionen seitens der Nominierten und Ausgezeichneten, indem beispielsweise im Sozialbereich Formulare überarbeitet oder Mitarbeiter auf die Problematik hingewiesen werden.