Nanni Morettis "Habemus Papam"

Ein nur allzu menschlicher Papst

Der italienische Regisseur Nanni Moretti ist bekannt für seine witzig-provokativen Beobachtungen über Italien und die Institutionen und Prominenten des Landes. Nun hat Moretti sich den Papst vorgenommen und blickt in "Habemus Papam" hinter die Kulissen einer Papstwahl, die ein ungewöhnliches Ergebnis liefert.

Kulturjournal, 28.10.2011

Die Menge jubelt, doch, der der eigentlich auch jubeln sollte, also der frischgekürte Papst, kann sich mit dem Protokoll gar nicht so anfreunden: Ein Nervenzusammenbruch und exzessives Schreien als Akt der Notwehr gegen die große Aufgabe, die vor ihm steht, sind die Folge - gegen die steifen Rituale der Heiligkeit auf Erden, gegen die Belastungen und Zwänge. Schon der Kragen der päpstlichen Soutane ist viel zu eng und schnürt einem die Luft ab. Kurzum: dieser Papst ist in der Krise und daher ein zutiefst menschliches Wesen.

Kein leichter Job

Er wollte einfach nicht mehr jenen Vatikan zeigen, den man schon zur Genüge aus anderen Filmen und Fernsehserien kenne, meint Nanni Moretti, sondern den Vatikan aus einer sehr menschlichen Perspektive zeigen. Und es menschelt sehr bei Moretti: Da erweisen sich Kardinäle als Schleckermäulchen, etwa bei Vanillekrapfen, oder bevorzugen den Capuccino mit nur wenig Milchschaum.

Man diskutiert offen über die Beruhigungsmittel, die man sich verabreicht, und hat ein Kardinal einen Alptraum, dann darf er schon mal laut nach seiner Mama schreien. Auch kleine Eitelkeiten und Verrat im Alltag finden Gottes Gnade. Schließlich wird für den Papst wider Willen ein von Nanni Moretti selbst gespielter Psychoanalytiker engagiert. Kein leichter Job!

Kein reales Vorbild

Das Amt und der Mensch, die Funktion und die Person, die Fassade und das dahinter, das sind die Gegensätze, die Nanni Moretti wohl kalkuliert gegeneinander ausspielt. Dabei betont er aber, dass der von Michel Piccoli gespielte Papst nichts mit realen Vorbildern und schon gar nichts mit Papst Woytila zu tun habe.

Man möchte meinen, Nanni Moretti, der bekennende Linke, würde es der katholischen Kirche so richtig heimzahlen, so wie er sich zum Beispiel Silvio Berlusconi in der Vergangenheit immer wieder vorgenommen hat. Aber woher denn, das wäre dann ein Film, bei dem die Zuseher ohnehin schon alles im Vorhinein zu glauben wüssten, und genau so einen Film wollte er nicht machen, so Moretti.

Feinfühlig und witzig

Liebenswürdig schrullig skizziert er auch die Staatsmacht des Vatikans, vor allem in der Figur des Vatikan-Sprechers, der gerne staatsmännisch auftritt und auch nur ein Mensch mit all seinen Fehlern ist. "Habesmus Papam" ist feinfühliges und witziges Kino, traurig und manchmal böse, aber nie bösartig, und zieht man Morettis manchmal forcierten Selbstdarstellungsdrang mal ab, dann erteilt man dem Film gerne die Absolution.

Textfassung: Ruth Halle