Neue Fälle in Tirol

Sexueller Missbrauch: Frauen als Täterinnen

In Tirol sind neue Fälle von Missbrauch und Übergriffen in öffentlichen Heimen bekannt geworden. Es handelt sich um Kinderheime und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Die Übergriffe haben in den 70-er und 80-er Jahren stattgefunden. Und immer öfter ist von Frauen als Täterinnen die Rede.

Mittagsjournal, 29.10.2011

Robert Schuller

Frauen als Täterinnen

Sexueller Missbrauch durch Frauen ist ein Thema, über das bisher der Mantel des Schweigens gebreitet worden ist, sagt die Innsbrucker Psychologin Ulrike Paul. Selbst bei Therapeuten sei das Thema vielfach noch nicht angekommen. "Mir sind zahlreiche Fälle sexuellen Missbrauchs bekannt, die von Frauen begangen worden sind, größtenteils von Nonnen aber auch von weltlichen Erzieherinnen."

Geschätzte 15 Prozent sind Täterinnen

Nach Schätzungen der von der katholischen Kirche eingerichtete Opferschutzanwaltschaft handle es sich bei 15 Prozent der bekannt gewordenen Missbrauchsfällen um Täterinnen. Weil sexuelle Agression von Frauen nicht erwartet würde, sei es für die Betroffenen schwer, Hilfe zu finden, sagt Ulrike Paul. Bei Nonnen habe man zum Beispiel gesagt, es handle sich um Zärtlichkeit oder Mutterliebe, so Paul.

Missbrauch bestimmt Leben

Ihm hätte damals niemand geglaubt, erzählt ein heute 46-jähriger Mann aus Innsbruck. Er ist Ende der 70-er Jahre im Elisabethinum, einem kirchlichen Heim für Menschen mit Behinderung, als 13-jähriger von einer Nonne missbraucht worden. Jahrelang habe das dunkle Geheimnis sein Leben bestimmt, erzählt der 46-jährige. Erst vor einem Jahr habe er sein Schweigen gebrochen und sich an die Ombudsstelle der Kirche gewandt. Heute ist er in Therapie.

Paul: Nonnen oft selbst Missbrauchsopfer

Nicht nur im Elisabethinum, auch in anderen Heimen in Tirol sind Fälle von Missbrauch durch Frauen bekannt geworden: etwa bei den Ursulinen oder dem ehemaligen Kinderheim Martinsbühel bei Innsbruck. Laut Experten dürfte die Mehrzahl der Täterinnen in kirchlichen Heimen zu finden sein. Ulrike Paul: "Ich gehe davon aus, dass nicht wenige Nonnen in ihrer Karriere und Sozialisation selbst Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind." Möglicherweise hätten sie viel an Frust und sexueller Aggression weitergegeben.

Heimleitung bestürzt

Im Falle jenes 46-jährigen Tirolers, ist die Ordensschwester, die ihn missbraucht haben soll, bereits verstorben. Die heutige Heimleitung zeigt sich bestürzt über den Vorfall. Man habe keine Kenntnisse über Missbrauchsfälle, sagt ein Sprecher.

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