Berater wird zum Chef

Euro-Experte soll Pleite abwenden

Jahrelang war er die Nummer zwei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinter Jean-Claude Trichet: Nun soll Lucas Papademos in seiner Heimat Griechenland als Retter in der Not einspringen und als Chef einer Koalitionsregierung die Zügel in die Hand nehmen.

Nachrichten, 10.11.2011

Berater Papandreous

Nach acht Jahren im Direktorium der EZB ist Papademos im Mai 2010 aus dem Gremium ausgeschieden - just zu dem Zeitpunkt, als sich Griechenland unter der Last seiner Schulden in die Arme von IWF und Europäischer Union flüchten musste. Noch während seines EZB-Mandats hatte der promovierte Wirtschaftswissenschaftler ein Angebot des späteren Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou ausgeschlagen, aus dem Frankfurter EZB-Tower nach Athen zu wechseln. Dort wurde er bereits als Superminister für Wirtschaft und Finanzen gehandelt. Er entschied sich aber, bis zum Ende seiner Amtszeit am Main zu bleiben. Danach diente er Papandreou als Berater, ohne direkt in die Kabinettsdisziplin eingebunden zu sein.

Arbeit hinter den Kulissen

Der 64-jährige gebürtige Athener und Ex-Gouverneur der Nationalbank gilt als früher Warner vor der Finanzkrise. Zugleich mahnte Papademos bereits vor Jahren eine stärkere europäische Integration an - eine Forderung, die auch der Ende Oktober aus dem Amt geschiedene EZB-Chef Trichet zuletzt forciert hatte. Obwohl Papademos als Vizepräsident stets im Schatten des Franzosen an der Spitze der EZB stand und nicht das Scheinwerferlicht suchte, wirkte er hinter den Kulissen umso aktiver mit. Unter seiner Ägide führte die EZB Finanzstabilitätsberichte ein, die zweimal jährlich erscheinen. Papademos gilt zugleich als "Arbeitstier" und wird wegen seines scharfen Verstands geschätzt.

Vor seiner Karriere als Notenbanker, die 1985 begann, war Papademos Dozent an der Columbia University in New York und arbeitete als Volkswirt bei der Fed-Zweigstelle in Boston.