Volksbewegung ohne klare Ziele

Ratlosigkeit über Demos in Ägypten

Weiterhin ist unklar, wie die Demonstrationen in Ägypten zu stoppen sind. Die Ankündigung des Militärrats, die Macht abzugeben, reicht den Demonstranten in Kairo nicht. Die bestehenden politischen Gruppen scheinen keinen Einfluss auf sie zu haben. Auch ist offen, wer statt des Militärs das Land führen sollte.

Morgenjournal, 23.11.2011

Karim El-Gewhary aus Kairo im Gespräch mit Andrea Maiwald

Keine breite Bewegung

Bei den Protesten geht es nicht nur um das Militär, das Problem ist größer: Die Verbindung zwischen der Politik und dem Tahrir-Platz ist unterbrochen. Kein Mensch weiß, was die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz zufriedenstellen würde. Die bestehenden politischen Gruppierungen haben dort keinen großen Einfluss.

Die Demonstranten repräsentieren nicht, so wie im Jänner, den größten Teil der Bevölkerung. Es gibt auch viele, die gerade die Demonstranten dafür verantwortlich machen, dass in Ägypten nichts weitergeht. Geschürt wird das auch von den staatlichen Medien, die seit Tagen gegen die Demonstranten hetzen. Aber die Demonstranten sind stark genug, um im Moment die Tagesordnung zu bestimmen, und das ist das Entscheidende. Das ist ein sehr aktiver Teil der Bevölkerung, der, während die meisten zu Hause sitzen, auf die Straße geht und deswegen den Ton im Land angibt.

Was soll danach kommen?

Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz fordern den Rücktritt von Feldmarschall Tantawi und seinem Militärrat. Das Problem dabei: Keiner weiß, wer dann das Land weiter führen sollte, es gibt dafür keine andere Institution, weil dafür auf ziviler Seite noch niemand bereit ist. Die politischen Parteien versuchen, mit dem Militärrat eine Lösung auszuhandeln. Eine dieser Lösung war das große Zugeständnis Tantawis, die Präsidentenwahl früher abzuhalten. Doch den Demonstranten reicht das nicht, obwohl niemand weiß, wie es dann weitergehen sollte.

Auch in der Rede des Feldmarschalls blieb einiges unklar, wie es gemeint ist, wie etwa das Angebot einer Volksabstimmung. Zugleich hat er den Menschen Angst eingejagt, die Stabilität Ägyptens sei gefährdet, das Militär werde ständig angegriffen, der Wirtschaft gehe es schlecht. Ärger löste auch aus, dass Tantawi keinerlei Fehler zugegeben und gesagt hat, die Armee habe keinen einzigen Ägypter erschossen.