Politik- und Wirtschaftsfaktor
Ägypten: Die Macht des Militärs
Nach dem Sturz Mubaraks im Februar erschien das Militär noch als Retter und Verbündeter der Revolution. Doch in den neun Monaten seither haben die Generäle aber nicht nur Mubaraks repressive Politik fortgesetzt. Das Militär hat deutlich gemacht, dass es nicht daran denkt, sich nach den Wahlen demokratischen Institutionen unterzuordnen.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 26.11.2011
Barbara Ladinser berichtet aus Kairo über die Macht der ägyptischen Armee.
Fädenzieher im Hintergrund
Er steht nicht gern im Rampenlicht. Man sieht es Feldmarshall Tantawi, an, als er vor wenigen Tagen unter dem Druck der Straße im Staatsfernsehn auftritt und Präsidentenwahlen bis zum Sommer verspricht. Der hagere 76jährige Chef des Obersten Militärrats war jahrelang Mubaraks loyaler Verteidigungsminister und Armeechef in einem. Er zieht die Fäden lieber im Hintergrund. Der Oberste Militärrat sei nur am Wohl des Landes interessiert, nicht an der Macht, beteuert Tantawi in seiner Rede, in der er auch droht: "Die Kritik an uns hat das Ziel, das Vertrauen zwischen dem Volk und uns zu beschädigen, und sie zielt darauf, den ägyptischen Staat zu stürzen." Dieser Logik folgten gestern hier in Kairo tausende bei einer Kundgebung für das Militär und gegen die Demokratiebewegung. Sie sind überzeugt, die schweigende Mehrheit der Ägypter zu vertreten, die das Militär als Garant für Sicherheit und Stabilität sieht.
Tragende Säule
Das kommt nicht von ungefähr: Seit 60 Jahren ist die ägyptische Armee die tragende Säule jeder Regierung. Sie zählt zu den größten Streitkräften der Welt. Aus Washington fließen seit dem Friedensvertrag mit Israel jährlich 1,3 Milliarden Dollar in ihr Budget. Darüber hinaus ist sie ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, mit Fabriken und Agrarbetrieben mit besonderen Privilegien. Solche genießen auch ihre Angehörigen, in Luxusclubs, Privatschulen und Ferienresorts. Auch ihre Rolle als letzte Instanz in der Politik will sich die Armee nicht nehmen lassen, genauso wenig wie sie sich von einer zivilen Kontrollinstanz in die Bücher schauen lassen will.
Armee ist Teil des Systems
Mit vorausgeschickten Verfassungsleitlinien wollten die Generäle ihre bisherige Macht und ihren Freiraum festschreiben. Mit diesem Dokument, sagt der Zeithistoriker Khaled Fahmy, wollten sie verhindern, dass die Revolution die Armee erreicht. Die unverhohlene Art, dies zu tun, habe viele alarmiert. Es sei naiv gewesen zu glauben, dass das Militär ein neutraler Vermittler sein würde, schüttelt die Politologin Rabab el-Mahdi den Kopf: Die Armee sei Teil des Systems, das die Ägypter stürzen wollten. Und dieses System sei weiterhin allgegenwärtig, "mit hunderttausenden Informanten, und es wird großer Anstrengung bedürfen, es zu durchschauen und abzutragen, und das Militär wird das sicher nicht tun."