Konzertreihen für Babys
Babyboom im Konzert
Kaum ein Konzerthaus im deutschsprachigen Raum verzichtet auf Konzertreihen für Kleinkinder. Will man hier das Publikum von morgen rekrutieren? Veranstalter/innen verneinen energisch. Es gehe um das sinnliche Erlebnis; ob aus den Babys und Kleinkindern wirklich einmal begeisterte Konzertbesucher werden, sei ungewiss.
8. April 2017, 21:58
"Als im Jahr 2001 in Wien eine Konzertreihe für 3- bis 6-jährige Kinder startete (Triolono der Jeunesse Österreich) und einige Zeit später eine in Detmold ("Concertino piccolino" der Hochschule für Musik), galten diese beiden Vorreiter als kleine Sensation im deutschsprachigen Raum. Zehn Jahre später gibt es unter den Konzerthäusern kaum eines, das keine Angebote für diese Altersgruppe im Repertoire hätte. Inzwischen erweitern Musikvermittler das Repertoire um Programme für Babies"
so schreibt die Musikvermittlerin Constanze Wimmer. Musikvermittlung für Babys hatte in Österreich vor drei Jahren in Salzburg bei der Stiftung Mozarteum seine Geburtsstunde. Die Konzertreihe "Mittendrin" wurde gegründet. Es folgten "Cinello" der Grazer Spielstätten und Jeunesse Österreich und vor kurzem "Bim bam bini", Konzerte für 0-2jährige des Tonkünstlerorchesters Niederösterrerich.
Cinello - ohne Sprache
Vier verschiedene Konzerte (meistens jeweils mehrfach aufgeführt) im Abstand von ca. zwei Monaten bietet "Cinello" in Wien, Graz, Innsbruck und Mürzzuschlag. Lilian Genn konzipiert gemeinsam mit Lena Schwendtenwein, die Ausstattung und Licht gestaltet, Konzerte für Babys und Kleinkinder ohne Sprache.
Hören, Sehen, Riechen, Fühlen - alle Sinne werden angesprochen. Und es gibt eine Handlung: Die Blumenfee (Lillian Genn) lebt auf der Blumenwiese mit ihrem Maikäfer Cinello (ein Stofftier) und wird dort von einem Musiker geweckt. Dieser Musiker oder diese Musikerin wechselt von Vorstellung zu Vorstellung und mir ihr das Instrument. Es beginnt nun eine Kommunikation zwischen Blumenfee und Musiker mit Gesten und Klängen, ehe sich nach ca. 20 Minuten das Konzert "öffnet" und Kinder und Eltern vorsichtig zum mitmachen und schließlich auch mitsingen eingeladen werden. Diese Interaktion ist bei Cinello ein Angebot an die Kinder, wie Lillian Genn erklärt: "sie können mitmachen, müssen aber nicht. Es ist ein Konzert, kein Workshop."
Mittendrin
Genau das ist eines der Hauptunterschiede zur Konzertreihe "Mittendrin" der internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg. Manuela Widmer leitet hier bereits in der vierten Saison Konzerte für Kinder bis drei Jahre plus Eltern. Hier wird keine Geschichte erzählt, hier wird Musik präsentiert (meistens mit einem bestimmten Motto) und zum Tanzen singen oder auch Mitmussizieren animiert. Gemeinsam mit durchschnittlich 3-5 Musikern und Musikerinnen steht Manuela Widmer in der Mitte ihres Publikums. Die Interaktion ist hier das wichtigste: Entweder es wird im Kanon oder auch zweistimmig gesungen, manchmal (vor allem bei Perkussionsinstrumenten) auch mitmusiziert. Das Repertoir reicht von Klassik bis Jazz, von Volksmusik bis Blues; die Musiker sind allesamt Studierende des Mozarteums, vor allem des Orff-Institituts für Musik- und Tanzpädagogik, wo Manuela Widmer selbst unterrichtet.
Die Eltern sind schwierig, nicht die Kinder
Probleme haben die beiden ständig ausverkauften Konzertreihen, wenn überhaupt, dann nicht mir den Kindern und Babys, sondern mit den Erwachsenen. Manche würden ihre Kinder gerne "bei der Musik abgeben" und sich derweil unterhalten oder telefonieren. Nicht leicht ist es oft - so klagen die beiden Musikvermitlerinnen Manuela Widmer und Lillian Genn - den Eltern zu vermitteln, dass es auch ihr Konzert ist und sich die Aufmerksamkeit der Eltern auf die Kinder überträgt.
Konzertsaal statt Spielplatz - warum?
Die Frage muss gestellt werden: warum macht man so etwas; warum Konzerte für Kinder bis 3, die doch eigentlich am Spielplatz zu Hause sind. Will man hier das Publikum von morgen rekrutieren? Manuela Widmer und Lillian Genn verneinen energisch. Es gehe um das sinnliche Erlebnis; ob aus den Babys und Kleinkindern wirklich einmal begeisterte Konzertbesucher werden, sei ungewiss. Aber trotzdem: ein positives emotionales Erlebnis in frühester Kinfheit bleibt haften, ein Leben lang, wie die Forschung uns lehrt.
"Hinsichtlich der Bildung der Sinneserfahrungen und der emotionalen Erfahrungsmöglichkeiten spielt es eine entscheidende Rolle, was kleine Kinder in den ersten Lebensjahren erfahren, und vor allem WIE sie es erfahren", so der Erziehungswissenschaftler Gerd E. Schäfer, der dennoch vor einer "Verfrühpädagogisierung" warnt. Denn es seien vor allem selbstgesteuerte Lernprozesse, die in den ersten Jahren wirken: "Je mehr pädagogisch geplant und zur Verfügung gestellt werden muss, desto weniger können Kinder ihren eigenen Lernwegen folgen."
Manuela Widmer dazu: Wenn diese Konzerte ein mal pro Woche stattfinden würde, dann würden diese Bedenken schon zutreffen, aber 5 mal im Jahr, so viele Termine hat ihre Konzertreihe "Mittenndrinn" oder 4 Mal wie bei Lillian Genns "Cinello", das sei vertretbar. Und außerdem: wie sehr man auch plant, die Kinder würden trotzdem machen, was sie wollen. "Manche schlafen auf der Stelle ein und schlafen bis zum Ende der Veranstaltung seelig durch."