Bill Bryson geht durch alle Zimmer

Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Früher, so hört man es immer wieder, früher war alles besser. Wenn wir aber einen kurzen Blick auf unser alltägliches Leben werfen, dann wird schnell klar: Früher war gar nichts besser. Wolle man die Geschichte der alltäglichen Dinge in einem Satz zusammenfassen, schreibt Bill Bryson, dann könnte man sagen: Alles wurde im Laufe der Geschichte immer bequemer.

So heizte man Häuser bis ins Mittelalter, indem ganz einfach ein Feuer im Wohnzimmer entfacht wurde. Der Rauch stieg zur Decke und wurde dort immer dichter, bis er durch ein Loch im Dach abzog. Bis 1330 gab es keine funktionierenden Schornsteine. Als sie dann doch nach und nach in die Wohnungen Einzug fanden, waren nicht alle begeistert. Im Jahre 1577 weinte ein gewisser William Harrison der guten alten Zeit des offenen Feuers nach. Damals, so meinte er, habe der Kopf niemals wehgetan. Und die Menschen wären gesünder gewesen, weil sie ständig "gut durchgeräuchert" gewesen wären.

Zimmer mit Geschichte

Bill Bryson hat sein Buch in 19 Kapitel gegliedert. Jedes davon ist nach einem Zimmer im Haus benannt. Die Eingangshalle, das Wohnzimmer, das Arbeitszimmer, das Badezimmer und so weiter und so fort. Aber natürlich beschreibt Bryson nicht die Räume an sich, sondern er liefert eine Kulturgeschichte dessen, was in den Zimmern vor sich geht.

Im Kapitel "Die Küche" geht es darum, wie sich das Essen im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Gewürzt, so lernt man es bei Bryson, haben die Engländer ihre Speisen nie besonders gerne. Im viktorianischen Zeitalter gaben sie es überhaupt auf, ihrem Essen Geschmack zu verleihen und konzentrierten sich darauf, die Speisen wenigstens lauwarm auf den Tisch zu bekommen - was nicht immer leicht war, denn die Räume waren kalt und die Wege weit. Fast 200 Meter betrug die Distanz zwischen Küche und Esszimmer in einem Haus in Essex. Und in Cheshire versuchte man die Sache zu beschleunigen, indem man eine Hauseisenbahn einrichtete.

Essen ohne Abwechslung

Überhaupt das Essen: Der Adel und der Klerus verschlangen ungeheure Mengen, während die Ernährung der ärmeren Schichten eintönig und wenig schmackhaft war.

Nicht nur verfügten die Menschen über keine ausreichend gewärmten Zimmer und nur über fades Essen, auch im Bett war es nicht besonders bequem. In Gasthäusern war es bis ins 19. Jahrhundert gang und gäbe, dass Fremde in einem Bett schliefen. Und auch die gut Situierten teilten ihre Bettstatt mit den Bediensteten. Diese mussten am Fußende des Bettes ihrer Herrschaften schlafen – egal, was diese gerade trieben.

Wider die Onanie

Das Schlafzimmer diente nicht nur zum Schlafen, es war stets auch der Ort, an dem die Sexualität ausgelebt wurde. Geschah das in der Ehe mit dem Ziel der Fortpflanzung, so war es legitim. Geschah es, um Lust zu empfinden, so war es Sünde. Und so wurde der Kampf gegen die Onanie mit verbissenem Ernst geführt.

Bill Brysons Abhandlung über die alltäglichen Dinge ist eine äußerst vergnügliche Lektüre. Auch wenn es dem Autor weniger darum geht, unsere Umwelt analytisch zu erfassen, als vielmehr darum, eine Anekdote an die nächste zu reihen und sich von Pointe zu Pointe zu hanteln. Was das Lesevergnügen für nicht-britische Leser ein wenig einschränkt: Bryson bezieht sich fast ausschließlich auf englische Quellen. Korrekterweise müsste das Buch also heißen: "Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge im Vereinten Königreich."

Service

Bill Bryson, "Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge", aus dem Englischen übersetzt von Sigrid Ruschmeier, Goldmann Verlag

Goldmann - Bill Bryson