Ernüchternde Bilanz
Theater und Musiktheater 2011
Die Ö1 Kulturredaktion blickt auf die kulturellen Ereignisse des Jahres zurück und zieht Bilanz. Im Bereich Theater und Musiktheater fällt die Bilanz ernüchternd aus.
26. April 2017, 12:23
Kulturjournal, 27.12.2011
Gernot Zimmermann diskutiert mit der Kritikerin Karin Cerny vom "profil" und dem Theatermacher Robert Quitta über das vergangene Theaterjahr.
Tendenz zur Oberflächlichkeit
Eigentlich, meint die Theaterkritikerin Karin Kathrein, war 2011 ein Theaterjahr wie jedes andere. Ohne besondere Höhen und Tiefen, Spitzen und Abstürze. Eine Tendenz zur Oberflächlichkeit ortet die Vorsitzende der Nestroypreis-Jury. Die Nestroy-Gala stach dann tatsächlich nicht so sehr wegen der preisgekrönten Aufführungen ab, sondern sorgte vielmehr durch die von manchen als reaktionär empfundenen Reden von Peter Handke und Peter Turrini für Aufmerksamkeit, die mehr Respekt vor der Arbeit der Dramatiker einforderten und gegen Textflächen und Romandramatisierungen wetterten.
Die Tendenz, das Werk des Autors der eigenen Regiearbeit unterzuordnen, ist nicht neu, fällt aber heuer verstärkt auf - man nehme nur die polarisierende Alvis-Hermnis-Deutung von Schnitzlers "Das Weite Land" als Film noir. Auch der Trend, dass Autoren Klassiker bearbeiten und umschreiben, setzt sich fort. Drastische Beispiele lieferte die Josefstadt - etwa mit Igor Bauersimas "Traumnovelle"-Bearbeitung und Friederike Roths Strindberg-Fortschreibung.
Mittagsjournal, 27.12.2011
Postmigrantische Theaterarbeit
Das Theaterschlagwort des Jahres könnte "postmigrantische Theaterarbeit" werden. Projekte, bei denen Migranten in die Theaterarbeit miteinbezogen werden, häufen sich - die Garage X widmet dem Thema einen Schwerpunkt und im Volkstheater zeigt "Die Reise" wie so etwas idealerweise aussehen könnte.
Ein Zeichen in diese Richtung ist auch die Bestellung von Shermin Langhoff und Markus Hinterhäuser als neues Festwochen-Intendantenduo.
Herausragender Festspielsommer
In Salzburg besticht das interimistische Hinterhäuser-Jahr durch qualitätvolle Produktionen wie den "Faust"-Marathon von Nikolas Stemann und die Janacek Oper "Die Sache Makropolus" - Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler spricht vom besten Festspielsommer seit 17 Jahren. Trotz kritischem Rechnungshofbericht und trotz Aufregung um die Ausladung des Festredners Jean Ziegler.
Oper in Wien
Querelen gab es auch in Bregenz um die Vertragsverlängerung von David Pountney, bis man Mitte des Jahres Roland Geyer als Nachfolge präsentieren konnte. Der hat im Theater an der Wien bewiesen, dass er im Musiktheater auf die richtigen Stücke und richtigen Regisseure setzt - und von "Castor und Pollux" bis hin zu "Gogol" und "L'Orfeo" höchste Qualität gezeigt. Während in der Staatsoper Domique Meyer mit seinen französischen Regisseuren und den Aufführungen vom "Figaro", über die "Traviata" bis hin zu Janaceks "Aus einem Totenhaus" weniger glücklich agierte.
Nationale Trauer um die gute alte Zeit löste im Februar der Tod von Peter Alexander aus, für nationalen Jubel sorgte der 80er von Thomas Bernhard. Der Übersättigungseffekt wurde durch die schöne Aufführung von "Einfach kompliziert" mit Gert Voss am Burgtheater ausgeglichen.
Kultureller Aufreger
Die Absage von Birgit Minichmayr für Wedekinds "Lulu" wurde von Gratiszeitungen zum kulturellen Aufreger gemacht und Burgchef Matthias Hartmann kurzzeitig zum Despoten ausgerufen. Somit hat es das Theater zumindest auf die Titelblätter gebracht - und das schafft es nicht in jedem Jahr.