Ansichten von Matthias Horx
Das Megatrend-Prinzip
In seinem berühmten Aufsatz über die Kulturindustrie meinte Umberto Eco anno 1964, dass es zwei Gruppen von Menschen gäbe: Apokalyptiker und Integrierte. Erstere sehen andauernd das Ende nahen, Zweitere finden, dass alles ok sei und die Welt schon nicht untergehen werde.
8. April 2017, 21:58
Diese Unterscheidung lässt sich auch anwenden, wenn es um die Zukunft geht. Da gibt es die Apokalyptiker, die meinen, wir lebten ohnehin in der schlechtesten aller möglichen Welten und dass sich das in Zukunft noch verschlimmern werde. Im deutschsprachigen Raum finde man vor allem Alarmismus-Gurus, meint Matthias Horx.
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Untergangsglaube, Angstmachen, Zuspitzung um jeden Preis sind zu einem Riesengeschäft geworden. Kein Wunder, angesichts einer Medienlandschaft, in der Tausende von Funk- und Fernsehkanälen um die rare Ressource Aufmerksamkeit konkurrieren. Womit könnte man besser Aufmerksamkeit generieren als mit Übertreibung, Untergangsgeraune, nie dagewesenen Gefahren.
Besser als früher
Mit der Apokalypse lässt sich wunderbar Geld verdienen. Mit dem Gegenteil aber auch, wie Matthias Horx eindrucksvoll beweist. Wenn man wissen will, warum die Zukunft doch toll sein wird, dann ist man bei ihm genau richtig. Alles wird immer besser. So lautet sein Credo, das er mit Zahlen belegen kann.
Man vergleiche nur das Leben heute mit jenem des Jahres 1955, seinem Geburtsjahr. Eine weltweit gesehen durchschnittliche Frau verfügt heute über dreimal mehr Einkommen als damals, hat dreimal mehr Kalorien zur Verfügung und lebt rund ein Drittel länger als vor einem halben Jahrhundert. Und ihr Risiko, an Mord, Kindbettfieber, Fluten, Hunger, Kriegen, Malaria, Masern oder anderen Krankheiten zu sterben, hat deutlich abgenommen.
Das habe nicht nur damit zu tun, dass sich das Leben in der Ersten Welt verbessert hat, so Horx, denn auch den Ärmeren gehe es immer besser. Nur in sechs Ländern von knapp 200 hat sich das mittlere Einkommen verschlechtert, und nur in dreien ging die Lebenserwartung zurück.
"Gegenwartseitelkeit"
Wenn die Zahlen, Daten und Fakten aber ein klares Bild zeichnen, warum sind dann so viele Menschen überzeugt, dass die Welt "noch nie" so schlecht war wie heute?
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In der Formel vom "Noch nie" findet sich das, was wir in der Zukunftspsychologie "Gegenwartseitelkeit" nennen. Wer möchte nicht in einer exklusiven Schlüsselzeit leben?
Zu zeigen, dass die Welt ohnehin gut ist, ist die Schlüsselkompetenz von Matthias Horx. Und dass es in Zukunft auch nicht schlechter sein wird, dafür macht er elf Megatrends aus; Trends, die heute schon allgegenwärtig sind, und die nicht wirklich überraschen.
Frauen weiter im Kommen
Der Megatrend Globalisierung ist eher ein alter Hut als eine neue Erkenntnis. Und auch die Megatrends "Neue Arbeitsformen", "Alterung der Gesellschaft" und "Urbanisierung" werden wohl niemanden überraschen, der in den letzten zehn Jahren Zeitung gelesen oder Nachrichten geschaut hat.
Neben dem "Megatrend Frauen", wo es unter anderem darum geht, dass die Frauen immer mehr einflussreiche Positionen in der Gesellschaft einnehmen und Eltern in westlichen Staaten sich heute lieber eine Tochter wünschen als einen Sohn, gibt es auch den Megatrend "Connecivity".
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Auf einer tieferen Ebene sind alle Megatrends verbunden und angetrieben durch einen weiteren Megatrend, den man vielleicht allerdings auch als Metatrend, als übergeordnetes Organisationsprinzip begreifen muss: Konnektivität.
Was nichts anders heißt, als dass alles mit allem verbunden ist.
Die Welt 2045
Wie man es von Matthias Horx gewohnt ist, ist auch sein neues Buch voll mit Zahlen, Daten, Fakten. Seine Thesen stehen nicht im luftleeren Raum, sondern sind gut fundiert. Was dem Buch aber fehlt, ist ein zündender Gedanke, eine überraschende Denkwendung. Alles, was Horx beschreibt ist mittlerweile common sense.
"Wie die Welt von morgen entsteht" lautet der Untertitel des Buches. Diese Welt von morgen zeigt Horx in dem kurzen Kapitel "Die Welt 2045".
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Bis zum Jahr 2045 werden sich die Trends zu mächtigen Kultur- aber auch Ökonomieströmungen ausgewachsen haben. Die Selfness-Märkte boomen und bilden das Rückgrat einer quartären Sinnökonomie, die die industrielle Wirtschaft nicht ersetzt, sondern ergänzt. So wie die Ökologie längst zu einem Massen-Mem geworden ist, wuchern insgesamt die postmateriellen Lebensstile.
Horx wirkt in diesem Buch nicht wie einer, der sich über die Zukunft Gedanken macht. Im Grunde ist "Das Megatrend-Prinzip" nicht einmal eine Bestandsaufnahme des Hier und Jetzt, sondern eine historische Arbeit. Hier werden die Entwicklungen der letzten 20, 30 Jahre noch einmal zusammengefasst, mit einem Etikett versehen und in die Zukunft hochgerechnet. Solide, gut gemacht, aber ohne wirklich Neues zu bieten.
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Matthias Horx, "Das Megatrend-Prinzip", DVA
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