Projekt "Nordlicht"

Drago Jancar und Maribor

2012 wird Maribor Kulturhauptstadt Europas sein. In Maribor wurde Drago Jancar geboren, einer der profiliertesten und produktivsten zeitgenössischen Autoren Sloweniens, eine Zentralfigur der slowenischen Literaturszene.

Er ist 1948 in Maribor geboren, er studierte Jura, war PEN-Präsident und äußerte sich mit seinem Werk gegen die Tito-Herrschaft - dafür bezahlte er mit einer Haftstrafe. Heute lebt er in Ljubljana und ist weiterhin politisch-publizistisch tätig. Maribor ist der Schauplatz seines Romans "Nordlicht", der eben auf Deutsch in einer neuen Übersetzung erschienen ist und der die Basis ist für ein Projekt der Kulturhauptstadt Maribor 2012.

Vorzeichen der Katastrophe

Maribor, im Winter 1938: Ein Polarlicht erscheint am Nachthimmel - Vorzeichen der nahenden Katastrophe. Vor dem Hintergrund des deutsch-slowenischen Konflikts zeigt Drago Jancar am Schicksal seines Protagonisten den moralischen und gesellschaftlichen Verfall am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Maribor - das sei auch die Stadt seines Schicksals, sagt Drago Jancar:

"Dort bin ich aufgewachsen und dort hatte ich die größten Schwierigkeiten meines Lebens. In Maribor war ich eingesperrt wegen 'feindlicher Propaganda' und 'publizistischem Ungehorsam' - wie es hieß - 1974, drei Monate lang, und zwar genau im selben Gefängnis wie 30 Jahre zuvor mein Vater, der von der Gestapo verhaftet worden war. Aber sonst: Maribor ist ein freundlicher und angenehmer Ort mit Weinbergen ringsum und jetzt eben auch Kulturhauptstadt 2012. Für eine Stadt, die dermaßen von der Industrie ramponiert wurde, ist das eine große Sache und wir hoffen, dass die Kultur die Stadt wieder erweckt."

Leuchtschilder mit Zitaten

Zu dieser Wieder-Erweckung leistet Drago Jancar einen bedeutenden Beitrag - mit dem Projekt "Nordlicht". An den Stellen, wo der Roman spielt, werden in der Stadt auf speziellen Leuchtschildern Zitate aus dem Roman angebracht, Jancar selbst wird an Ort und Stelle aus dem Buch lesen, dazu gibt es Filme, Theaterstücke und Diskussionen mit Autoren wie Karl-Markus Gauß oder Claudio Magris - Diskussionen über Europa 1938 und Europa heute.

Die Erinnerungsarbeit auf dem Balkan steht ganz noch am Anfang, sagt Drago Jancar: "Das Schweigen beruhte zum Teil auf Angst, zum Teil auf schlechtem Gewissen. Seit der Wende, nach 1990,sind diese Themen zwar nicht mehr tabu, es wird darüber diskutiert und es erscheinen auch wissenschaftliche Abhandlungen, aber alles zusammen ist das zu spät, eine neue Generation ist da, die das nicht mehr interessiert. Und die, die daran beteiligt waren, schauen weg."

Eine klärende Katharsis sei aber die Voraussetzung für gesellschaftlichen Fortschritt, meint Drago Jancar.

Glaube an Europa

Derzeit ist Europa allerdings mit ganz anderen Dingen beschäftigt, als mit der Aufarbeitung der Vergangenheit. "Etwas Neues passiert mit uns und wieder sind Irritationen in der Luft, wie das Nordlicht in meinem Roman", sagt Jancar. "Aber ich glaube an die europäische Idee und ich hoffe, dass sie überlebt. Obwohl ich Frau Merkel sehr schätze, leide ich doch sehr darunter, dauernd Stimmen zu hören, die davon sprechen, dass Europa mit dem Euro zerfällt. Ich hoffe, dass die europäische Idee stärker ist als der Euro."

In seiner Heimat habe er noch keinen ernsthaften Politiker getroffen, der gegen Europa gesprochen hätte, sagt Drago Jancar. Und für Slowenien gebe es gar keine andere Lösung, allerdings: "Eine gewisse Unsicherheit ist in der Luft. Immer wieder treffe ich Leute, die dem Sozialismus nachtrauern. Es bilden sich immer größere soziale Unterschiede heraus - das ist schmerzhaft und für viele Menschen ist das das Synonym für Europa. Was Europa einmal dargestellt hat - Utopie, Hoffnung auf ein besseres Leben, eine gerechtete Ordnung usw., das ist plötzlich der Unsicherheit gewichen und einer Angst vor dem, was noch kommen wird."

Textfassung: Ruth Halle

Service

Drago Jancar, "Nordlicht", neue Übersetzung von Klaus Detlef Olof, Folio-Verlag