TV-Interview kein Befreiungsschlag

Wulff weiter in der Kritik

Es hätte der große Befreiungsschlag werden sollen für den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff - ein Interview, in dem er ausführlich auf Vorwürfe gegen ihn reagierte. Besänftigen konnte er die Kritiker allerdings nicht.

Mittagsjournal, 05.01.2012

Aus Berlin,

Begonnen hatte die Affäre mit Enthüllungen der Bild- Zeitung über einen billigen Immobilienkredit, dann kamen Urlaube bei vermögenden Freunden dazu und auch die Frage, ob Wulff seinerzeit vor dem Landtag in Niedersachsen darüber nicht vollständig informiert hätte. Am schwersten lasten aber derzeit die Vorwürfe auf ihm, er hätte versucht, die Berichterstattung über sich zu verhindern, und dieser Vorwurf bleibt auch nach dem gestrigen Wulff-Interview im Raum.

Klare Worte fehlen

Offenlegen, zur Aufklärung beitragen, nichts mehr verbergen, so lauteten die vielfach erhobenen Forderungen, und so versprach es dann auch der Präsident, als sich in seinem Fernsehinterview bereit erklärte. Aber schon an einer ziemlich heiklen Passage gleich am Anfang dieses Interviews hat sich nun eine neue Kontroverse entzündet, und die Frage, ob Deutschlands Bundespräsident Christian Wulff wirklich offenherzig ausgepackt hat, steht weiter im Raum.

Gegenteilige Aussagen

Begonnen hat es mit Zerknirschung: der Anruf beim Chefredakteur der Bild-Zeitung sei ein schwerer Fehler gewesen, für den er sich entschuldige.
Und Wulff dann weiter: der Anruf, in dem er auf der Handy- Mailbox des Bild- Chefredakteurs Worte wie „Krieg“ oder „endgültiger Bruch“ hinterlassen haben soll, hätte nur dem Ziel gegolten, einen Aufschub um einen Tag zu erwirken.

Prompt kam der Widersprich. Nikolaus Blome, der stellvertretende Chefredakteur von Bild, deutet den Anruf ganz anders: er habe klar das Ziel gehabt, die Berichterstattung zu unterbinden.
Die Passage ist auch deshalb so wichtig, weil der Bundespräsident bei der Reise im arabischen Raum, die zum Zeitpunkt des Telefonats noch nicht zu Ende war, die Pressefreiheit gepriesen und von seinen Gastgebern eingefordert hatte. Dass er jetzt weiterhin im Verdacht steht, mit ebendieser Pressefreiheit zuhause auf Kriegsfuß zu stehen, macht es seien Verteidigern ziemlich schwer.

Verteidiger tun sich schwer

Recht bemüht klingen etwa die Worte, mit denen Gerda Hasselfeldt von der mitregierenden CSU dem Präsidenten beispringt: er habe sein Bedauern zum Ausdruck gebracht über so manches Fehlverhalten, man sollte das respektieren.

Christan Wulffs Anwälte haben heute Vormittag eine sechsseitige Stellungnahme ins Internet gestellt, nach ihren Angaben eine Zusammenfassung von 450 Medienanfragen und deren Beantwortung durch die Anwaltskanzlei. Das Fazit von Christian Wulffs Anwälten am Ende: „Anhaltspunkte für die Tatbestände der Vorteilsannahme oder Vorteilsgewährung haben sich nicht ergeben. Insoweit teilen wir die in den Medien berichtete Einschätzung der Staatsanwaltschaft Hannover“.

SPD frohlockt

Die größte Oppositionspartei, die SPD, hält sich mit offenen Rücktrittsforderungen noch zurück. Sie dürfte nichts dagegen haben, wenn die Affäre noch länger vor sich hinköchelt, denn je schlechter des dem Präsidenten geht, umso schlechter geht es auch der Frau, die ihn ins Amt gehoben hat, Bundeskanzlerin Angela Merkel. Daher richtet sich SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles auch gleich direkt an die Kanzlerin: es sei entscheidend was sie sage. Und die Frage sei, ob die Aussagen von Wulff ausreichen würden.

Merkel schweigt noch

Angela Merkel selbst hat heute die Sternsinger im Kanzleramt empfangen und dabei zur aktuellen Lage geschwiegen. Damit gilt weiterhin ihr Satz, sie schätze den Präsidenten außerordentlich, überbracht bisher aber nur vom stellvertretenden deutschen Regierungssprecher. Vollstes Vertrauen sähe da schon etwas anders aus.