US-Remakes europäischer Filme

Recycling Movies

In den letzten Jahren hat Hollywood die nackte Angst gepackt - vor schwindenden Besucherzahlen, vor illegalen Downloads, vor explodierenden Film-Budgets. Um trotz aller Unabwägbarkeiten eine positive Jahresendbilanz vorweisen zu können, setzen die meisten Studios wie viele andere Unternehmen auf eine strikte Risikominimierungspolitik.

Statt Originalstoffen konzessioniert man lieber Adaptionen von bekannten und beliebten Marken wie "Herr der Ringe" und "Harry Potter". Oder dreht gleich Filme nach, die ihr Erfolgspotenzial bereits unter Beweis gestellt haben. Immer öfter schicken die großen Hollywood-Studios ihre Trend-Scouts dafür nach Europa: Sie sollen die nationalen Märkte nach Stoffen durchforsten, die sich für ein amerikanisches Remake eignen könnten.

Stieg-Larsson-Remake

Ein aktuelles Resultat dieser Strategie läuft dieses Wochenende in den österreichischen Kinos an: Der amerikanische Edelregisseur David Fincher serviert mit seinem Psychothriller "Verblendung" bereits die zweite Adaption des gleichnamigen Krimiromans - und das nur wenige Jahre, nachdem die schwedische Erstverfilmung die Kinokassen zum Klingeln gebracht hat.

Ein bisschen hipper, ein bisschen wilder und ein bisschen besser: gravierende Unterschiede zwischen der europäischen und der amerikanischen Adaption von "Verblendung" findet man allerdings nicht. Weil es sie nicht gibt. Hollywood-Regisseur David Fincher hatte offenkundig kein Interesse daran, die Buchvorlage von Stieg Larsson neu zu vermessen. Eher schon baut er Niels Arden Oplevs schwedische Filmadaption davon nach. Mit mehr Geld. Und international bekannten Schauspielern wie Daniel Craig und Christopher Plummer.

Kommerziell enttäuschend

Verblendet dürfte auch das Sony-Studio gewesen sein, als es die Neuverfilmung des Stoffs in Auftrag gegeben hat. Erwartet wurde eine Wiederholung der europäischen Erfolgsgeschichte der Erstverfilmung, geworden ist es eine mittelgroße kommerzielle Enttäuschung. Laut der amerikanischen Webseite "Box Office Mojo" hält David Finchers 90 Millionen Dollar teure "Verblendung" momentan bei einem internationalen Einspielergebnis von 107 Millionen Dollar.

Auch von den europäischen Märkten darf man sich keine Wunder erwarten: immerhin war die schwedische Verfilmung hierzulande schon in den Kinos zu sehen. Und viele wissen nicht, wieso sie für dieselbe Geschichte noch einmal zahlen sollen. Zumal die Zeitspanne zwischen Original und Remake im Fall von "Verblendung" kaum zwei Jahre beträgt.

Erfolgreiche Unbekannte

Für die Studios bedeutet das, dass ihnen die wichtigen europäischen Märkte zu einem Gutteil weg brechen: 2008 etwa spielt "Quarantine", die US-Version des spanischen Erfolgsschockers "REC", in ausländischen Märkten gerade einmal 9 Millionen Dollar ein. Zwei Jahre später spült "Let Me In", basierend auf dem norwegischen Vampirfilmhit "Let the Right One In", nur enttäuschende 12 Millionen in die europäischen Kinokassen.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt ganz klar, dass US-Versionen von europäischen Produktionen immer nur dann erfolgreich waren, wenn das Original einen geringen Bekanntheitsgrad hatte. Claude Zidis Agentenspaß "La Totale!" aus dem Jahr 1991 hatte außerhalb Frankreichs kaum jemand gesehen: James Camerons amerikanisches Remake "True Lies" wird hingegen zu einem der erfolgreichsten Filme der 1990er Jahre.

Ähnlich verhält es sich mit der französischen Komödie "3 hommes et un couffin" aus dem Jahr 1985, die nur zwei Jahre später als "Drei Männer und ein Baby" zum Welterfolg wird. Industriestandard war das Remake damals allerdings noch nicht, eher schon eine Ausnahmeerscheinung, nicht selten auch das Leidenschaftsprojekt eines Regisseurs.

1992 etwa inszeniert der Amerikaner Martin Brest Dino Risis italienische Komödie "Profumo di donna" als "Der Duft der Frauen" für das amerikanische Publikum, 1983 gibt Richard Gere den Jean-Paul Belmondo in der Hollywood-Fassung von Godards Erstlingswerk "Außer Atem".

Gegenseitiges Kopieren

Mittlerweile ist die Remake-Kultur fest in den Händen von gewieften Produzenten und Trendforschern: Wenig verwunderlich sind es vor allem europäische Genrefilme, die das Interesse von Hollywood erwecken. Da sie sich an klare Formeln halten, lassen sie sich mit einem höheren Budget für Effekte und dergleichen schnell aufmotzen und auf den Markt werfen.

Voreilige Kritik an der Visionslosigkeit Hollywoods greift aber oft zur kurz, denn gerade das europäische Kino orientiert sich seit den frühen 1980er Jahren verstärkt an amerikanischen Erzählstandards, nationale Filmindustrien versuchen sich gezielt daran, Stilelemente zu kopieren – und werden dann von Hollywood erneut kopiert. Die Frage, was Original und was Remake ist, ist demnach gar nicht so einfach zu beantworten. Vielmehr hat man es als Zuseher mit einem Konvolut aus gegenseitigen Beeinflussungen zu tun.

Scorseses Hommage an den Stummfilm

Am außergewöhnlichsten hat Martin Scorsese die gegenwärtige Remake-Kultur interpretiert: Sein Fantasyfilm "Hugo", der im Februar 2012 in Österreich anläuft, ist nicht nur ein Liebesbrief an das Kino an sich, sondern beinhaltet auch 3D-Versionen von Kurzfilmen des französischen Stummfilmpioniers George Méliés.

Ein Ende der Remake-Welle ist derweil nicht abzusehen: Til Schweigers Erfolgskomödie "Keinohrhasen" soll schon bald eine romantische Komödie nach amerikanischer Art werden, die dänische Gangsterkomödie "Snabba Cash" ist als Zac-Efron-Vehikel in Planung und die Weinstein Company will die unlängst auch in Österreich gestartete französische Komödie "Ziemlich beste Freunde" zum Hollywood-Blockbuster aufmotzen. Bei all dem bleibt nur zu hoffen, dass dann doch auch wieder mal Originalstoffe entwickelt werden. Ansonsten wird das Kino zum Recyclingfriedhof.