Liebe im Zeitalter des Internet

Joshua Sobols "Verklärte Nacht"

Der israelische Erfolgsautor Joshua Sobol hat ein neues Stück geschrieben: "Verklärte Nacht" - ein Stück über Liebe im Internetzeitalter - hat am Dienstag, 17. Jänner 2012, im Stadttheater Walfischgasse in Wien Premiere. In dem Zwei-Personen-Stück spielen Mercedes Echerer und Erik Jan Rippmann.

Das Stück hat der heute 72-jährige Sobol schon vor 15 Jahren geschrieben, jetzt wirkt es beinahe wie eine apokalyptische Zukunftsvision. Sobol hat sich mit Stücken wie "Weiningers Nacht" oder "Alma - a Show biz ans Ende" mit Paulus Manker einen Namen gemacht. Mit Manker plant er 2013 ein weiteres großes Projekt.

Kulturjournal, 17.01.2012

Twitter und Facebook, Skype und iPhones - im Jahr 1997 war das alles noch Zukunftsmusik. Doch mit einem feinen Sensorium für die Möglichkeiten der Zukunft, schrieb Joshua Sobol ein Bühnenstück, in dem zwei Personen in einem videoüberwachten, komplett technologisiertem Raum aufeinandertreffen. Allerdings waren die Bühnenmöglichkeiten damals noch nicht so ausgereift, um das Stück störungsfrei umzusetzen - und so blieb es 15 Jahre lang in der Schublade, erklärt Joshua Sobol. Er stellte sich Wände vor, die sich von einer Sekunde zur anderen ändern könnten. Mit Screens und Interaktivität ist das heute möglich.

Online vom Aufstehen bis zum Schlafengehen

Das Stück spielt in einem High-Tech Wohnzimmer, in dem sich die Screen-Wände auf Zuruf oder Wink verändern. Ob sie nun die passende Barstimmung zum Drink zaubern, den Panoramablick auf New York vorgaukeln oder Immobilienangebote vom Traum-Haus am Land einblenden, von dem man gerade geschwärmt hat. Und weil Mann und Frau in erster Linie mit ihrer Wand in Beziehung stehen, sich selten anschauen und ihre Konversation hauptsächlich aus Floskeln besteht, merken sie vorerst gar nicht, dass der jeweils andere gar nicht der eigene Ehepartner ist. Erst beim Sex dämmert es ihnen.

Joshua Sobol, der in Paris Informatik und Systemanalyse studiert hat, ist ein Internetskeptiker. Neben der Verarmung der Sprache sieht er die realen menschlichen Beziehungen in der Generation facebook gefährdet. Das Smartie in der Hand ersetze Vaterland, Gedächtnis, Telefon und Religion. Wie ein ritualisiertes Morgengebet wird von Milliarden Menschen in der Früh zuerst einmal der Computer aufgedreht, dem Cyberraum werden die intimsten Dinge anvertraut - das iPad begleitet einen ins Bett.

Warten auf den israelisch-arabischen Frühling

Trotzdem: das Web ist überkonfessionell, eine allgemeine Göttlichkeit für die ganze Menschheit. Und es hat Wege zueinander geebnet, Verbindungen erleichtert, den Informationsfluss beschleunigt und sorge für eine Gleichstellung von Mann und Frau. Die Rolle, die man facebook und Twitter bei der arabischen Revolution zuschreibt, hält Sobol aber für übertrieben. Er war kurz vor Beginn der Aufstände in Kairo.

Die große Hoffnung, die man in den arabischen Frühling gesetzt habe, sei vorbei, jetzt komme der arabische Winter, so Sobol. Und auf den israelisch-arabischen Frühling hofft Sobol schon lange.

Polydrama zur Dreyfuss-Affäre geplant

Mit dem Antisemitismus im 19. Jahrhundert, konkret mit der Dreyfuss-Affäre, wird sich Sobol in seiner kommenden Arbeit beschäftigen. Gemeinsam mit Paulus Manker soll ein Polydrama entstehen, ähnlich wie das erfolgreiche Alma-Stationentheater.

Mit Paulus Manker verbindet Sobol eine langjährige Freundschaft, die mit Sobols Stück "Weiningers Nacht" in den 1980er Jahren begonnen hat. Damals hat Manker die Titelrolle des frauenhassenden jüdischen Philosophen in Hamburg gespielt, später das Stück am Volkstheater inszeniert und schließlich verfilmt. Die Nacht, so Sobol, sei sie nun Weinigers oder die verklärte, die Nacht sei eine gute Zeit, um Stücke anzusiedeln.

Textfassung: Ruth Halle