Regierung will Messwerte veröffentlichen

Peking erstickt im Feinstaub

Die Luftverschmutzung in Chinas Städten sorgt zunehmend für Unmut in der Öffentlichkeit. Nach heftiger Kritik an ihrer Informationspolitik will etwa die Stadt Peking in Zukunft genauer über den Grad der Luftverschmutzung informieren.

Mittagsjournal, 19.1.2012

US-Botschaft twittert Messwerte

Ein Feinstaubmessgerät auf dem Dach der amerikanischen Botschaft in Peking ist zum Hassobjekt der Behörden geworden. Über den Online-Nachrichtendienst Twitter werden die Werte stündlich im Internet verbreitet. Gemessen wird die Belastung mit Partikeln unter 2.5 Mikrometer, die als besonders gefährlich gelten, von der chinesischen Regierung bisher nicht veröffentlicht und ebenso wenig zur Bewertung der Luftqualität herangezogen wurden. Und so kommt es auch, dass Pekings Umweltbehörde im vergangenen Jahr mehr als 280 Sonnentage mit blauem Himmel und guter Luft registriert hat, während die Pekinger Bürger oft unter einer grauen Smogglocke sitzen, der Flughafen wegen schlechter Sicht gesperrt werden musste und die amerikanische Botschaft die Luftgüte nicht selten als äußerst ungesund oder gar gefährlich eingestuft hat.

Zunehmender Unmut

Dass die Feinstaubbelastung in Peking das 20- bis 30-fache jener europäischer Städte beträgt, ist keine Seltenheit mehr. Neu ist jedoch, dass sich nicht nur prominente Bürger über die Informationspolitik der Stadtregierung beschweren, sondern auch der Unmut auf der Straße deutlich zunimmt: "Die Luft in Peking ist schlecht. Schau Dir mal den Himmel an. Soll das gut sein?" - "Ich vertraue der Regierung nicht. Ihre Testwerte sagen, die Luft ist gut. Aber ich fühle doch selbst, wie mies sie tatsächlich ist. Immer mehr Leute in Peking leiden deshalb Lungenerkrankungen."

Umdenken bei Regierung

Der Unmut der Bürger führt offenbar langsam zu einem Umdenken der Behörden. Die Pekinger Regierung will jetzt auch die kleinsten Feinstaubpartikel messen und vor allem veröffentlichen. Bis zum Jahresende will man Dutzende Luftmessstationen mit entsprechenden Geräten ausstatten und die Daten ins Internet stellen. Ma Jun, ein bekannt kritischer Umweltexperte, der auch die Regierung berät, mahnt trotzdem zu mehr Transparenz: "Die Veröffentlichung der Daten ist ein wichtiger Schritt. Doch wichtig ist, wie sie veröffentlicht werden. Wenn es keine echten und genauen Daten sind, dann wird die Öffentlichkeit das Vertrauen in die Behörden endgültig verlieren."

Kohlekraftwerkle und Autos

Doch es geht längst nicht nur um die Informationspolitik, sondern generell um die schwindelerregende Luftverschmutzung in Chinas Städten. Zwar sind Kohleheizungen etwa in vielen Stadtteilen Pekings mittlerweile verboten und luftverpestende Industriebetriebe seit den olympischen Spielen aus der Stadt verbannt. Doch hat man in den Nachbarprovinzen große industrielle Dreckschleudern nur vorübergehend zugesperrt, um blauen Himmel während der Spiele zu garantieren. Mittlerweile sind die Anlagen wieder geöffnet, und nicht nur das: Im Schnitt öffnet in China fast jede Woche ein neues Kohlekraftwerk. Der Wind verfrachtet die Schadstoffe direkt in die Millionenmetropolen. Dazu kommt, dass etwa in Peking mittlerweile fünf Millionen Fahrzeuge unterwegs sind, eineinhalb Millionen mehr als noch vor drei Jahren. Überzeugende Antworten, wie dieses Umweltdesaster in den Griff zu kriegen ist, sind die Behörden bisher schuldig geblieben.