Überwachung durch Verfassungsschutz

Deutschland: Linke-Parlamentarier unter Beobachtung

In Deutschland geht ein Streit um die Tätigkeit des Inlandsgeheimdienstes nun auch mitten durch die Regierung. Ein Drittel der Bundestagsabgeordneten der Linkspartei soll vom Verfassungsschutz beobachtet worden sein. Die Justizministerin spricht von unerträglichem Vorgehen, der Innenminister verteidigt hingegen die geheimdienstliche Durchleuchtung der Parlamentarier.

Mittagsjournal, 24.1.2012

Ein Drittel wird überwacht

Von Beobachtung war immer schon die Rede, aber wie fürsorglich diese Beobachtung tatsächlich ist, das hat erst eine dem Magazin "Spiegel" zugesteckte geheime Parlamentsanfrage ergeben.

Demnach hält der deutsche Verfassungsschutz 27 Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“ unter Beobachtung, das ist mehr als ein Drittel der 76 Personen zählenden Fraktion. Nun hat die Linkspartei einen kräftigen Wurzelstrang in der früheren kommunistischen DDR-Einheitspartei PDS, es gibt dort auch eine kommunistische Plattform, die Annahme, dass irgendwo in der Partei verfassungsfeindlich agiert werden könnte, ist also zumindest zulässig.

Gysi: "Form der Selbstbeschäftigung"

Aber unter denen, die der Verfassungsschutz unter die Lupe nimmt, ist mit Petra Pau auch eine Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und mit Steffen Bockhahn auch ein Abgeordneter, der im sogenannten Vertrauensgremium sitzt, das über die Geheimdienstfinanzen entscheidet.

Kontrollieren die Kontrolleure da ihrerseits ihren Kontrollor? Abwegig findet das alles der linke Fraktionschef Gregor Gysi. "Das ist eine Form der Selbstbeschäftigung. Sie haben nicht das Ende der DDR und des kalten Krieges mitbekommen", empört sich Gysi.

Verfassungsschutzpräsident beschwichtigt

Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm versucht zu beschwichtigen. Beobachtung heißt, so sagt er, nicht, dass man die Abgeordneten beschatten oder ihre Telefone anzapfen würde.

Es werden zum Beispiel öffentliche Äußerungen und Zeitungsartikel erfasst, sieben Leute arbeiten daran beim Geheimdienst - 400.000 Euro im Jahr kostet das. Die rechtsextremistische NPD wird von zehn Personen beobachtet.

Wer darf beobachtet werden?

Nun gibt es aber Streit bis in die Regierungsebene hinauf um die Beobachtung der Linken. Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger spricht von Beeinträchtigung der Arbeit frei gewählter Abgeordneter und nennt die Beobachtung unerträglich.

Innenminister Hans-Peter Friedrich hält aber flott dagegen: "Frau Leutheusser-Schnarrenberger muss wissen, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Ihre Forderung, dass man bestimmte Abgeordnete beobachten darf und andere nicht, scheint mir abwegig." Auch Spitzenfunktionäre der NPD stünden unter Beobachtung. "Dann müsste ich ja auch deren Beobachtung einstellen - das kann ja nicht sein", sagte Friedrich.

Für regierungsinterne Aufregung ist also gesorgt, für Konsequenzen vorerst noch nicht.