D: Griechen sollen Budgetkommissar bekommen

Griechenland braucht noch mehr Geld

Europa wartet nervös auf den Ausgang der Verhandlungen in Athen über den Schuldenschnitt privater Gläubiger. Ein Schuldenverzicht der privaten Geldgeber und neue Einsparungsprogramme Athens sind die Grundvoraussetzung für neue Finanzhilfen an das von Schulden geplagte Land. Und die sollen mit 145 Milliarden Euro deutlich höher ausfallen, als bisher angenommen.

Mittagsjournal, 28.01.2012

Raimund Löw

Rettungspaket teurer als geplant

Das zweite Rettungspaket für Griechenland wird voraussichtlich teurer als zunächst geplant. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, dass nach Einschätzung der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds das Land noch einmal zusätzlich etwa 15 Milliarden Euro benötigt.

Statt 130 Milliarden Euro, wie noch Ende Oktober beschlossen, würden etwa 145 Milliarden Euro fällig. Grund für die Lücke sei eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Griechenland. "Wir gehen nicht davon aus, dass man das fehlende Geld allein bei den privaten Gläubigern einsammeln kann", zitiert das Magazin die Troika.

Zähe Verhandlungen um Schuldenschnitt

Und auch ein weiteres Problem ist noch nicht gelöst: Griechenlands Regierung und Bankenvertreter verhandeln noch immer über einen Schuldenschnitt - er ist Voraussetzung für weitere Hilfszahlungen. Vier Tage schon dauern die Verhandlungen zwischen der Bankenlobby, Griechenland und der EU über den geplanten freiwilligen Schuldenschnitt.

Der erhoffte Durchbruch blieb bisher aber aus. Konkret geht es um die Zinsen, die private Anleger erhalten sollen, wenn sie ihre griechischen Staatspapiere gegen neue, sicherere Anleihen eintauschen. Denn diese Anleihen sollen insgesamt weniger wert sein.

Budgetkommissar für Griechenland

Der Bankenverband verlangt vier Prozent, die EU-Vertreter wollen nur drei Prozent bezahlen. Wie hoch die Zinsen sind, entscheidet über das Ausmaß des Schuldenschnitts. Die Staats-und Regierungschefs der EU haben vergangenen Herbst einen Verzicht von 50 Prozent als Ziel genannt. Jetzt ist von bis zu 80 Prozent Einbußen der privaten Banken und Fonds die Rede. Nötig wurde die Korrektur nach oben angesichts des ständig wachsenden Schuldenberges des Landes.

Ein radikal neuer Vorschlag zur Sanierung Griechenland kommt nach Informationen der "Financial Times" aus Berlin. Deutschland verlangt, dass der griechischen Regierung ein EU-Budgetkommissar vorgesetzt wird. Über den Tisch dieses mit weitreichenden Kompetenzen ausgestatteten EU-Beauftragten sollen ausnahmslos alle Ausgaben des griechischen Staates gehen.

Haushaltspolitik an EU abgeben?

Erst wenn die Zinsen für die griechischen Schulden bezahlt sind, soll ein solcher Sonderkommissar das Geld für Beamtengehälter oder Pensionen freigeben. Griechenland würde seine Budgethoheit für eine bestimmte Zeit völlig an die EU und die europäischen Geldgeber abtreten.

Eine derart außergewöhnliche Maßnahme hat es übrigens in Österreich nach dem ersten Weltkrieg gegeben, als ein Generalkommissar des Völkerbundes die Kontrolle über die Finanzen der Republik übernahm. Damals hat die Methode funktioniert.

Die Europäer sind trotz der griechischen Schwierigkeiten zuversichtlicher als Ende letzten Jahres, dass die Eurokrise unter Kontrolle gebracht werden kann. Die letzten Abstufungen durch die Ratingagentur Fitch werden in Brüssel gelassen aufgenommen. Italien, das mehrmals abgestuft wurde, hat die jüngste Refinanzierung ohne größere Probleme durchführen können.