Schwere Vorwürfe gegen Uni-Klinik
Heimkinder mit Malaria infiziert
Wiener Heimkinder sind in den 1960er Jahren nicht nur Opfer von Misshandlungen und sexuellem Missbrauch gewesen. Offenbar wurden sie auch für zweifelhafte medizinische Therapien und Versuche mit der Tropenkrankheit Malaria herangezogen. Ein ehemaliges Heimkind erhebt nun schwere Vorwürfe.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 6.2.2012
Bernt Koschuh
Fieberkrankheit gegen Persönlichkeitsstörung
Wilhelm J. war 16-Jähriger im Jahr 1964 einen Monat lang zur Therapie auf der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie. Die aus seiner Sicht falsche und aus heutiger Sicht jedenfalls zweifelhafte Diagnose lautete auf Psychopathie. Behandelt wurde er mit einer äußerst fragwürdigen Therapie, die damals offenbar auch bei anderen Heimkindern angewandt wurde, und im Wesentlichen aus einer Infektion mit Malaria bestand.
"Als Bestrafung in die Psychiatrie"
Einem anderen Infizierten sei Blut abgenommen und ihm in den Muskel gesprizt worden, erzählt der heute 63-Jährige: "Ich wurde also absichtlich mit Malaria infiziert und hatte über zwei Wochen bis zu 42 Grad Fieber." Er habe sich nicht gewehrt, sagt der Mann. Man habe ihm auch gedroht, er würde sonst auf die geschlossene Abteilung in ein Gitterbett kommen.
"Ich wurde dazu gezwungen. Eine Ärztin hat mir gesagt, das ist eine Malaria-Kur, wir machen da Versuche." Wilhelm J. war vom Wiener Heim "Im Werd" auf die sogenannte Psychiatrische Klinik Hoff gekommen. Rückblickend sieht er das als Bestrafung dafür, dass er nach Hause wollte und deshalb immer wieder aus dem Kinderheim ausgerissen war.
Malariatherapie längst überholt
Für die Malariatherapie zur Behandlung von Syphilis hatte Julius Wagner-Jauregg 1927 den Nobelpreis bekommen. Später wurde sie auch für andere psychiatrische Erkrankungen angewandt. 1964 war diese Behandlung jedoch wissenschaftlich längst überholt, so der Zeitzeuge und Psychiater Bernd Küfferle, der ab 1965 an der Uni-Psychiatrie gearbeitet hatte.
Infektion um Erreger zu konservieren?
"Tatsächlich wurden solche Fieberkuren bis Mitte der 1960er Jahre gemacht. Es war aber damals schon klar, dass das keine sinnvolle Behandlung ist", so Küfferle. Warum also wurde die Behandlung dennoch angewandt? Küfferle glaubt, dass damit das Ziel verfolgt worden sei "den Malaria-Erreger im Patienten am Leben zu erhalten, einfach um ihn im Spital verfügbar zu haben."
Kinderpsychiater: Vorgehen "plausibel"
Auch der Kinderpsychiater Ernst Berger hält die Angaben von Wilhelm J. für plausibel und glaubwürdig. Der aktuelle Uni-Psychiatriechef Johannes Wancata meinte, er könne sich die Vorgangsweise seiner Vorgänger nicht erklären und bedauere und verurteile sie, wenn es nur um die Erhaltung des Malaria-Erregerstammes gegangen sein sollte.
"Fieberschübe und Schweißausbrüche"
Wilhelm J. hat übrigens gemeinsam mit Ö1 versucht, seine damalige Krankengeschichte zu bekommen, doch sie existiert weder im AKH, noch am Jugendamt, noch im Wiener Landesarchiv. Und in den noch vorhandenen Unterlagen kommt der Begriff Malariatherapie auch nicht vor.
Der 63-Jährige sagt übrigens, er habe später nie psychiatrische Behandlung gebraucht, aber noch jahrzehntelang an plötzlichen Fieberschüben und Schweißausbrüchen gelitten.
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