Kritik an der heutigen Praxis

Kinder im Heim

Nach den Missbrauchsvorwürfen rund um das Heim am Wiener Wilhelminenberg stellt sich auch die Frage ist das Thema Kinder in Heimen wieder aktuell geworden. Laut Jugendministerium wachsen 11.000 österreichische Kinder nicht bei ihren Familien auf. Sie wohnen in Heimen, betreuten Wohngemeinschaften oder auch bei Pflegefamilien. Und auch an der heutigen Struktur gibt es Kritik.

Morgenjournal, 20.10.2011

Mariella Kogler,

Heime: Teuer und wirkungslos

Für Georg Dimitz vom Verband der Sozialarbeiter leben viel zu viele österreichische Kinder in Heimen. Für die Hälfte der 1.000 Wiener Heimkinder beispielsweise sei es vollkommen sinnlos, dass sie in einem Heim wohnen, denn: wenn man sich die Ergebnisse ansehe, dann seien die Verhaltensmuster, die zur Unterbringung geführt hätten, nicht unterbrochen. Es sei damit eine sehr teure und unwirksame Maßnahme.

Ein Heimkind zu betreuen kostet etwa 170 Euro pro Tag. Macht bis zu 5.270 Euro im Monat und über 63.000 Euro im Jahr. Viel mehr Sinn mache es laut Dimitz, wenn man dieses Geld in Sozialarbeiter investiere, die zuhause mit den betroffenen Familien arbeiten. In Heimen sei die persönliche Betreuung jedes einzelnen Kindes mit dem derzeitigen Personalstand nämlich nicht zu leisten, weil dort nur eine basale Versorgung möglich ist, wie Essen und Schlafen.

Kontrollen nur oberflächlich

Im Vergleich zu den 60er und 70er Jahren, als Heime oft wie Strafanstalten und völlig abgeschottet von der Außenwelt geführt worden sind, habe sich zwar vieles verbessert. Die Heime sind kleiner, die Kinder gehen in öffentliche Schulen und haben somit mehr Kontakt zur Außenwelt als früher.

Aber es gibt nach wie vor zu wenige Kontrollen, sagt Gerald Herowitsch-Trinkl vom Dachverband der österreichischen Jugendwohlfahrtseinrichtungen. Er leitet selbst eine betreute Wohngemeinschaft im Burgenland und erklärt, wie solche Kontrollen durch die zuständige Landesbehörde ablaufen. Dienstpläne würden angeschaut, Ausbildungsnachweise. Es folgen Aktendurchsicht und Gespräche mit den Betreuern, aber mit den Kindern würde nicht gesprochen.

Überlastete Sozialarbeiter

In der Sozialabteilung der burgenländischen Landesregierung bestätigt man, dass die Einrichtungen in der Regel einmal im Jahr kontrolliert werden. Öfter nur dann, wenn es Probleme oder Vorwürfe gemeldet werden. Auch mit den Kindern werde nur dann geredet, wenn die das wollen oder es Schwierigkeiten gibt. Die Kinder könnten sich ohnehin an die Landesregierung oder an die Kinder- und Jugendanwaltschaft wenden.

Ansprechpartner für die Kinder sind auch die Sozialarbeiter der Jugendämter. Aber die haben einfach zu wenig Zeit, kritisiert Gerald Herowitsch-Trinkl. Sie sind überlastet und argumentieren, dass sie schon froh sind wenn die Kinder einen festen Wohnsitz haben.

Ein neues Jugendwohlfahrtsgesetz sollte auch die personelle Situation verbessern. Daran wird aber seit Jahren gearbeitet - bisher ohne Erfolg.

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