Hetze gegen Osteuropäer
Empörung über Web-Aufruf von Wilders-Partei
Es ist vielfach erprobt und fast immer erfolgreich: rechtspopulistische Provokation, die Aufmerksamkeit erregen soll. Dieses Mal ist es der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders. Er ruft im Internet die Menschen dazu auf, sich über Osteuropäer zu beschweren, wenn sie sich von ihnen gestört fühlen. Empörte internationale Reaktionen sind die Folge.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 18.2.2012
Aus Brüssel,
"Voll ins Schwarze getroffen"
Er hat die Rolle oft genug geübt, um sie zu beherrschen. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders steht mit blond gefärbter Mähne vor der Fernsehkamera und tut so, als könnte er die Aufregung um seine Vernaderungskampagne nicht verstehen: „Es ist eine großartige Internetseite. Ich bin stolz darauf. Und wenn die ganze Welt sich darüber beschwert, das interessiert mich nicht. Wir haben voll ins Schwarze getroffen“.
Stein des Anstoßes ist eine Internetseite, die seit einer Woche online ist. Wilders Partei der Freiheit, die PVV, ruft dazu auf, gezielt Osteuropäer anzuprangern. Wer immer sich von ihnen vom Arbeitsplatz verdrängt sieht oder sich sonst gestört fühlt, soll das melden. Die Partei verspricht, die Beschwerden ans Sozialministerium weiterzuleiten. Garniert ist die Homepage mit Zeitungsmeldungen über kriminelle Polen, Rumänen und Bulgaren.
Protest ist laut
Die Botschafter von zehn Ländern haben in einem offenen Brief gegen die "entwürdigende Ausgrenzung von Menschen" protestiert. Und die niederländische Wirtschaft, die von der Internationalisierung lebt, fürchtet ums Image. Die Stimmung habe sich bereits gewandelt, sagt der Direktor der polnisch-niederländischen Handelskammer, Elro van den Burg: „Ich kann den Imageschaden nicht in Zahlen ausdrücken. Aber Gespräche mit Polen - ob privat oder beruflich -, die haben früher mit Fußball begonnen. Jetzt ist die erste Frage die nach der PVV und danach, was wir von den Polen halten“.
Regierung von Wilders abhängig
Die Niederlande sind der größte Auslandsinvestor in Polen. Tausende Polen arbeiten in den Niederlanden vor allem am Bau und in den Gemüsegewächshäusern. Sie gelten eigentlich als zuverlässige und günstige Arbeitskräfte.
Aber die kursierenden Geschichten über Schwarzarbeiter, die den Niederländern die Jobs wegnehmen, und Bauarbeitertrupps, die sich nach Dienstschluss grölend betrinken, mehren sich. Geert Wilders weiß das zu kanalisieren. Immer öfter greift der für seine Islam-Feindlichkeit bekannte Rechtsaußen die wachsende Europa-Skepsis auf. Und Wilders ist mit seinen 15 Prozent von der letzten Wahl dafür in komfortabler Position. Eigentlich in Opposition und dennoch ist die Minderheitsregierung von Rechtsliberalen und Christdemokraten von seiner Duldung abhängig.
Trotz der internationalen Proteste gegen Wilders neue Homepage tut Ministerpräsident Mark Rutte bisher so, als ginge ihn das alles nichts an: „Dass die PVV ihre Website macht, ist ihre Sache, nicht meine. Machen wir das Ganze doch nicht größer als es ist. Wenn die PVV irgend ein Stück rohes Fleisch in die Arena wirft, ist es nicht klug, wenn sich alle drauf stürzen“.
EU distanziert
Die Rücksicht auf Wilders bleibt nicht auf die Innenpolitik beschränkt. In der EU gelten die Niederlande oft nicht mehr als kompromissfähig. Aus Rücksicht auf die Unterstützung von Wilders zu Hause, blockiert die Regierung den eigentlich längst fälligen Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien. Und auch bei der Euro-Rettung spielt sie den Hardliner. Der sich cool gebende Ministerpräsident verliert zunehmend an Spielraum.