Wechsel an der Spitze der Kultusgemeinde

Muzicant zieht positive Bilanz

Der scheidende Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, sieht als wesentlichen Punkt seiner Amtszeit, das Leben in Österreich und Wien für Juden wieder attraktiv zu machen und ein Schrumpfen der Gemeinde zu stoppen. Insgesamt stellt Muzicant in Österreich eine positive gesellschaftliche Entwicklung fest.

Mittagsjournal, 21.2.2012

Ariel Muzicant im Gespräch mit Peter Daser

Lage verbessert

Seit der Ära Waldheim, als Muzicant auch daran dachte Österreich zu lassen, habe sich die Lage wesentlich zum Besseren verändert. Man habe begonnen, "die Geschichtslüge, dass Österreich ein erstes Opfer war, beiseite zu schieben. Und es ist eine Gesellschaft entstanden, die sich mit der Schoah auseinandersetzt."

"Dummheit" Straches

In der breiten Öffentlichkeit wurde Muzicant oft wegen seiner Auseinandersetzungen mit der FPÖ wahrgenommen. Den jüngsten Vorfall, die Aussage des FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache "Wir sind die neuen Juden" nennt Muzicant eine "Dummheit", wobei es irrelevant sei, was er damit gemeint habe: "So etwas sagt man schlichtweg nicht." Insgesamt sieht er die Streitigkeiten mit der FPÖ in der Öffentlichkeit überbewertet. Seine Tätigkeit bestehe überwiegend aus anderen Dingen.

Verbesserung auch bei Friedhöfen

Selbst bei der Problematik der jüdischen Friedhöfe in Österreich sieht der scheidende Präsident Fortschritte: Zwar könnte es schneller gehen, aber immerhin habe man erreicht, dass die Regierung eine 50-Prozent-Finanzierung für die Sanierungsarbeiten beschlossen hat. Auch die Länder hätten positive Beschlüsse gefasst.

Opferentschädigung unter schwarz-blau

Dass das Washingtoner Abkommen zur Entschädigung der Opfer der Nazis ist während einer blau-schwarzen Regierung geschlossen worden ist, verwundert Muzicant rückblickend nicht. Es sei dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) hoch anzurechnen, "dass er das durchgezogen hat". Und Muzicant glaubt auch nicht, dass eine rot-schwarze Regierung das zustande gebracht hätte, "weil diese Parteien Jahrzehnte lang gesagt haben, der andere ist dagegen."

Gemeinde erhalten und ausbauen

Der Weg der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich hat nach Angaben Muzicants das Ziel, die Gemeinde langfristig auszustellen und zu verhindern, dass sie aus Mitgliedermangel verschwindet. Nun habe man die Infrastruktur aufgebaut und so viel jüdisches Kleben nach Österreich gebracht, dass das auch vom Ausland entdeckt werde. "Wir haben eine ziemliche Zuwanderung aus Deutschland", so Muzicant.

14 Jahre Tätigkeit

Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien wählt Dienstagabend einen neuen Präsidenten. Ariel Muzicant zieht sich mit 60 Jahren aus Altersgründen zurück - die Nachfolge soll sein bisheriger Vizepräsident Oskar Deutsch antreten. Dass der Vorstand der Empfehlung Muzicants folgen wird, daran bestehen kaum Zweifel - hat doch derselbe Vorstand in der identen Zusammensetzung vor knapp fünf Jahren auch Ariel Muzicant mit großer Mehrheit wiedergewählt. In den 14 Jahren seiner Tätigkeit hat sich Ariel Muzicant als eine höchst kontroversielle Persönlichkeit profiliert - und wenn es um die Anliegen seiner Gemeinde ging, ist er keiner Auseinandersetzung ausgewichen.

Mittagsjournal, 21.2.2012

Markus Veinfurter mit einem Rückblick auf die Ära Ariel Muzicant.