Fall aus Österreich sorgt für Aufregung

Mangelnder Opferschutz im Internet

Wer im Internet verspottet oder bloßgestellt wird, kann sich nur schwer dagegen wehren. Das zeigt sich nun an einem besonders dramatischen Beispiel: Ein ganzes Jahr lang waren Nacktfotos, Gerichtsakten und Polizeiprotokolle mit den Namen von Missbrauchsopfern aus Bad Goisern auf dem Videoportal Youtube zu sehen.

Morgenjournal, 5.3.2012

Bernt Koschuh

Nacktfotos im Internet

In den 1990er Jahren ist in Bad Goisern der bisher größte Porno- und Kinderschänderring Österreichs aufgeflogen. Es gab sechs Verurteilungen und rund 60 vom Missbrauch betroffene Kinder. In den vergangenen 13 Monaten sind sie durchs Internet neuerlich zu Opfern geworden.

Von einzelnen waren bis vor kurzem Nacktfotos im Bubenalter auf Youtube im Internet zu sehen. Von praktisch allen wurden die vollen Namen und ihre Aussagen gegenüber Psychologen, Polizei und Gericht veröffentlicht. Eine betroffene Mutter spricht von "Psychoterror".

"Da können wir nichts machen"

Gewaltforscher Rainer König-Hollerwöger spricht von insgesamt 200 betroffenen Zeugen und Opfern. Er vermutet eine Racheaktion eines früheren Täters. Die Mutter ist schon im Jänner vor einem Jahr zur Polizei gegangen - vergeblich.

Denn dort habe es geheißen: "Da können wir nichts machen." Dann habe sie einen Rechtsanwalt aufgesucht. Doch auch hier die Reaktion: "Da ist man machtlos, da kann man nichts machen", erzählt die Frau.

Ermittlungen gegen Unbekannt

Erst nach weiteren Anzeigen und Hinweisen - auch von Ö1 - ermitteln die Polizei Goisern und die Staatsanwaltschaft Wels wegen Verdachts der verbotenen Veröffentlichung geheimer Akten gegen unbekannte Täter. Man habe nicht die rechtlichen Möglichkeiten festzustellen, von welchem Computer aus die Akten ins Internet gestellt worden sind, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Manfred Holzinger.

66-Jähriger gibt Tat zu

Doch ein als Hauptmissbrauchstäter verurteilter 66-Jähriger aus Bad Goisern gab Freitagabend gegenüber Ö1 bereitwillig zu, dass er die Akten ins Internet gestellt hat. Der Manne, der seine Strafe bereits abgesessen hat, meint, er habe nur Akten aus dem öffentlichen Verfahren ins Internet gestellt und sei außerdem zu Unrecht verurteilt worden.

Den Wiener Medienanwälten Gerald Ganzger und Heinz Templ ist es kürzlich zumindest gelungen, was durch zahlreiche Schreiben an Youtube davor nicht möglich war: Die amerikanischen Betreiber haben die Akten entfernt. In Amerika müsse man erst mit Schlüsselwörtern wie Datenschutz, Privatsphäre oder Urheberrecht kommen, um unter den tausenden Anzeigen jeden Tag wahrgenommen werden, so Ganzger.

Experte: Zivilrechtsweg beschreiten

Durch das Internet gibt es ein neues Bedrohungspotential für die Persönlichkeitsrechte, sagt Walter Berka, Salzburger Medienrechts-Experte und Professor für Verfassungsrecht. Aber wer verspottet oder bloßgestellt wird, könne sich auch wehren. Berka hält dafür sowohl die strafrechtlichen als auch die zivilrechtlichen Möglichkeiten in Österreich für ausreichend. Die Missbrauchs-Betroffenen aus Bad Goisern etwa könnten nach dem Datenschutzrecht auf Schadenersatz klagen.

Mittagsjournal, 5.3.2012

Der Salzburger Medienrechts-Experte Walter Berka hält die Rechtslage in Österreich trotz des fehlenden Schutzes für ausreichend,

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