Nationaler Volkskongress kommt zusammen

China senkt Wachstumsprognose

China stellt sich auf eine weitere Abkühlung seines Wirtschaftswachstums ein. Zum Auftakt der diesjährigen Tagung des Volkskongresses gab Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao am Montag in Peking nur noch 7,5 Prozent Wachstum als Ziel für dieses Jahr vor. Die wirtschaftliche Entwicklung müsse "nachhaltiger und effizienter" werden.

Mittagsjournal, 5.3.2012

Jörg Winter aus Peking

Jiabao: Letzte Rede als Staatsmann

Einmal im Jahr zeigt sich Peking von seiner besten Seite. Der Platz des himmlischen Friedens ist für Kamerateams normalerweise gesperrt. Doch am Montag darf man sich dort vor der großen Halle des Volkes frei bewegen und die Ankunft der fast 3000 Delegierten zum Volkskongress bewundern, die aus allen Ecken des Riesenreichs angereist sind.

Bevor Premierminister Wen Jiabao das Podium betritt, ertönt in der monumentalen Halle die Nationalhymne. Jiabao spricht zum letzten Mal in seiner Funktion als Premier. Bei seiner letzten Rede lässt er keinen Zweifel daran, dass Chinas Boom der letzten Jahre langsam abflaut.

Wachstum kühlt deutlich ab

China müsse sich auf eine weiter Abkühlung des Wirtschaftswachstums einstellen, so Jiabao. "Wir wollen heuer um 7,5 Prozent wachsen und mehr als neun Millionen neuer Jobs schaffen." Im vergangenen Jahr war die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde noch um 9,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.

Nachhaltigkeit und Effizienz

Das Land müsse seine Wirtschaft umbauen und mehr auf Innovationen setzen, so der Premier. "Das niedrigere Wachstumsziel soll helfen, dass unsere Entwicklung nachhaltiger und effizienter wird." Die bisherigen zweistelligen Wachstumsraten hätten zu einer "unausgewogenen Entwicklung" geführt, die nicht aufrecht zu erhalten sei.

Chinas schwächelnde Exportmärkte sind wohl der Grund für das niedrige Wachstumsziel. Und auch die Schuldenkrise in Europa, Chinas größtem Markt, dürfte dem Land schwer zu schaffen machen.

Kampf um Macht und Einfluss

Jiabao redet geschlagene zwei Stunden lang. Viele Ansagen, etwa zu sozialer Gerechtigkeit, waren schon im vergangenen Jahr zu hören. Die Blicke der Delegierten richten sich aber ohnehin nicht mehr auf ihn, sondern auf den künftigen starken Mann Chinas. Der heißt Xi Jinping und sitzt ebenfalls auf dem eindrucksvollen Podium vor den Delegierten.

Der 58-jährige wird im Herbst das Amt des Parteichefs übernehmen und kurze Zeit später auch das Präsidentenamt. Sein Aufstieg scheint unbestritten, doch um andere Machtpositionen in Chinas künftiger Führung wird hinter den Kulissen heftig gerangelt. Die meisten Mitglieder des Politbüros, darunter auch Präsident und Premierminister, müssen aus Altersgründen ihre Ämter zurücklegen. In den höchsten Riegen der Kommunistischen Partei tobt derzeit ein Kampf um Macht und Einfluss.