Eva Glawischnig über Atomlobby und Bankenrettungen
"Da kriege ich einen echten Wutanfall"
Grünen-Chefin Eva Glawischnig kann nicht verstehen, dass die EU-Kommission "nichts aus Fukushima gelernt" hat und weiter auf Atomkraft setzt. Auch die Regierung sei bei der Umsetzung ihres Anti-Atom-Plans säumig. Die 100 Millionen Euro, die Österreich in das Euratom-Forschungsprogramm investiert, bezeichnet die Grünen-Chefin als "Missbrauch von Steuergeld".
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 10.3.2012
Eva Glawischnig im Gespräch mit Klaus Webhofer
"EU-Kommission blockiert Energiewende"
Am 11. März jährt sich die Atomkatastrophe in Fukushima. Während Japan, aber auch Länder wie Deutschland dieses Ereignis zum Anlass nehmen, nach und nach aus der Atomenergie auszusteigen, habe dieser "Schock" in Europa nicht für ein Umdenken gesorgt, kritisiert Grünen-Chefin Eva Glawischnig. "Mein Lieblingsfeind und erklärter Gegner ist hier die Europäische Kommission, insbesondere Energiekommissar Günther Oettinger, der alles daran setzt, erneuerbare Energien in Europa zu blockieren", so Glawischnig.
Stresstests nur "Beruhigungspille"
Besonders um die grenznahen AKWs in Slowakei und Tschechien mache sie sich Sorgen. Die durchgeführten Stresstests bezeichnete Glawischnig als "Beruhigungspille für die Bevölkerung", Faktoren wie Terrorsicherheit seien erst gar nicht überprüft worden. Auch würden AKWs in der Nähe zu Österreich über kein Containment - also keine zusätzliche Schutzhülle aus Stahlbeton - verfügen. Ein solches fehlendes Containment war dem Kraftwerk Fukushima zum Verhängnis geworden.
Sie verlange daher von der Bundesregierung, dass diese ihren eigenen Anti-Atom-Plan ernst nimmt. "Angekündigt waren zum Beispiel rechtliche Schritte wegen Verfahrensmängel oder UVP-Verletzungen gegen das slowakische Kernkraftwerk Mochovce oder gegen Temelin. Bis zum heutigen Tag ist nichts passiert", so Glawischnig.
Der "Schmäh" der Atomlobby
Eine neue Chance für die Anti-Atom-Politik gebe es allerdings für Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP), der dieses Jahr das neue Euratom-Forschungsprogamm (bis 2018) tatsächlich blockieren könnte. Das Programm koste 4,4 Mrd. Euro für die nächsten Jahre, der österreichische Anteil betrage 100 Mio. Euro. Für Glawischnig "Missbrauch von europäischem Steuergeld."
Das Argument, dass das Geld in Forschung über bessere Sicherheitsmaßnahmen für Atomkraftwerke fließen würde, lässt die Grünen-Chefin nicht gelten. "Wenn ich das höre, kriege ich immer einen echten Wutanfall. Diesen Schmäh erzählt uns die Atomlobby seit 20 Jahren. Es geht nur um die Laufzeitverlängerung bestehender Anlagen."
ESM: "Parlamente müssen mitentscheiden"
Auch bei einem anderen Thema ruft Glawischnig die Regierung zum Handeln auf. Denn im Gegenzug für die Zustimmung der Grünen zum dauerhaften Schutzmechanismus ESM (die Regierung braucht dafür eine Verfassungsmehrheit, Anm.) fordert sie mehr Mitentscheidungsrechte des Parlaments, etwa bei einer erneuten Aufstockung der Hilfsgelder.
Glawischnig: "Schon bei der Aufstockung des vorläufigen Euro-Rettungsschirms hatte der Nationalrat nicht einen Beistrich mitzureden. Das finde ich nicht akzeptabel, da hier besonders viel Misstrauen der Bevölkerung vorhanden ist." Zudem sei hier auch das Europäische Parlament "völlig ausgebremst", es gebe de facto keine parlamentarische Kontrolle.
Kommunalkredit: Verstaatlichung war "Fehler"
Eine weitere Bedingung für das "Ja" der Grünen ist für Glawischnig die lang versprochene Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Und wenn diese europaweit scheitere, dann müsse sich Österreich eben eine ähnliche Finanzierung überlegen. Sie denke da an eine Börsenumsatzsteuer oder an vermögensbezogene Steuern, so Glawischnig.
Für den österreichischen Bankensektor fordert Glawischnig "strengere Regeln und eine bessere Aufsicht". In der Vergangenheit wurden nach Ansicht der Grünen-Chefin grobe Fehler gemacht, so hätte man etwa die Kommunalkredit statt zu verstaatlichen durchaus in Konkurs gehen lassen können, denn diese sei ausschließlich im Investment-Bereich tätig gewesen. "Da ging es um kein einziges Sparbuch."
Nachdenken über Korruptions-Volksbegehren
Und noch etwas stört Glawischnig, nämlich dass beim Parteienfinanzierungsgesetz nichts weiter gehe. "Wenn es etwas gibt, das der Bevölkerung unter den Nägeln brennt, dann sind das strengere Gesetze. Es kann nicht sein, dass hierzulande etwas erlaubt ist, was in Deutschland unter Haftstrafe verboten ist", so Glawischnig.
Deshalb hätte sie auch nichts dagegen, über ein Volksbegehren nachzudenken. Bis zum Sommer müsse es strengere Regeln für Parteienfinanzierung geben, so Glawischnig, "sonst ist unsere Geduld erschöpft."