Bissiger Zeitkommentar im Kunstraum Stein

Der Wandzeichner Dan Perjovschi

Dan Perjovschi, Jahrgang 1961, ist einer der bekanntesten Künstler Rumäniens. Eine Einzelpräsentation im Museum of Modern Art in New York war der bisherige Höhepunkt seiner Karriere.

Perschovskis Arbeiten haben hohen Wiedererkennungswert: Es sind Cartoon-artige Bildfolgen, die er mit schwarzem Stift direkt an die Wände des jeweiligen Ausstellungsraums zeichnet. Auf die Art begleitet er satirisch das Zeitgeschehen. Seine neuesten Wandzeichnungen sind seit gestern im Kunstraum Stein zu sehen, der zur Kunsthalle Krems gehört.

Kultur aktuell, 26.03.2012

Zeitgeschichtliches Bilderlexikon

Die Wende in Osteuropa 1989 und die brutal schnelle Kommerzialisierung danach - das war die erste Ära, die Dan Perjovschi mit ironischen Wandzeichnungen in westlichen Museen kommentiert hat. Aus seinen Arbeiten könnte man ein zeitgeschichtliches Bilderlexikon der letzten zwei Jahrzehnte basteln. Dieses Lexikon wäre immer am letzten Stand.

Jetzt, im Kunstraum Stein, ist auch der Serienmörder von Toulouse schon Piktogramm geworden. An einem Eck steht das Wort "Toulouse", in Blockschrift mit dickem schwarzen Textmarker angebracht. Darunter ein Revolver, der Abzug ist ein islamischer Halbmond. Religion, als Waffe missbraucht.

Nicht alle Zeichnungen lassen sich so leicht entschlüsseln. Unter einem schwarzen waagrechten Balken steht der Name Lenin, unter einem schwarzen senkrechten Balken "Putin". Die Balken sind die Mumien der beiden - klärt Perjovschi auf. Will heißen Putin der Ewige - fast schon so ewig wie der mumifizierte Lenin.

Mit gleichem Maß messen

Die verbreitete These, es brauche einen Putin, damit Russland nicht im Chaos versinkt, die Ansicht teilt Perjovschi nicht: "Ein ruhiggestelltes Russland nützt dem Business, nicht der Bevölkerung. Wir müssen Putin zu demokratischem Verhalten zwingen. Ja, Russland hat unter Putin ein Comeback als Supermacht - aber nicht, weil er so ein genialer wirtschaftlicher Taktiker wäre. Sondern schlicht wegen des hohen Ölpreises."

An anderer Stelle geht Perjovschi darauf ein, wie die Medien oft mit zweierlei Maß messen: Proteste dort gut - nämlich in der arabischen Welt, Proteste hier böse - nämlich in der Bewegung Occupy Wall Street, die er selbst restlos billigt: "Den "Occupy"-Leuten wird oft vorgeworfen, dass sie kein Gegenprogramm hätten. Aber haben denn die Politiker ein Programm? Die müssten hingehen und mit den Demonstranten reden - statt ihnen Pfefferspray und Tränengas zu schicken. Sie müssten ihnen zuhören, diesen gebildeten, brillanten Leuten, die ein Problem mit dem Zustand der Gesellschaft haben."

Treffende zeichnerische Einfälle zum Stand der Dinge hat Dan Perjovschi immer. Auch wenn die Dichte an bissiger Lustigkeit diesmal vielleicht nicht ganz so hoch ist wie von ihm gewohnt.

Neue Bildsprache

Noch etwas erscheint anders als sonst: Bisher zeichnete Perjovschi fast nur auf weiße Wände. Für diesmal hat er sich ein Experiment ausgedacht: Vor seiner Ankunft wurde der Großteil der Wandflächen mit Seiten aus internationalen Tageszeitungen beklebt - die er bewusst nicht selbst auswählte. Er reagierte dann zeichnerisch auf Artikel in den Zeitungen: das hieß, "zu improvisieren wie ein Jazzmusiker."

Bei rein weißen Wänden kamen Perjovschis Bilderbögen immer als Gesamtchoreographie mit einer gewissen Strenge und zugleich Luftigkeit daher, was eine große Qualität war. Durch die visuelle Unruhe der Zeitungstapete ist das so nicht möglich. Der Gesamteindruck geht eher in Richtung zeichnerisches Spontanhappening mit Graffiti-Anstrich. Ob man Dan Perjovschi so gleich gern mag, das ist Geschmackssache.

Textfassung: Joseph Schimmer

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Kunstraum Stein