Rumänien vergibt Staatsbürgerschaften
Eine Million Moldauer drängen in die EU
Hundertausende Staatsbürger der verarmten Republik Moldau, wie die ehemalige sowjetische Teilrepublik seit ihrer Unabhängigkeit 1991 heißt, wollen die rumänische Staatsbürgerschaft, weil sie als EU-Bürger auf mehr Chancen hoffen - und Rumänien hilft dabei. Bisher haben 250.000 Moldauer die rumänische Staatsbürgerschaft bekommen.
8. April 2017, 21:58
Hauptsache rumänische Vorfahren
Die Regierung in Bukarest gewährt allen Moldauern die Staatsbürgerschaft, wenn die Antragsteller rumänische Vorfahren nachweisen können. Fast alle der 3,5 Millionen Einwohner können das, denn im Laufe der vergangenen Jahrhunderte waren Moldawien und ein großer Teil des heutigen Rumäniens ein Staat, zuletzt zwischen 1918 und 1940. Jetzt drängen bis zu eine Million Moldauer nach Rumänien.
Brücke über trennende EU-Grenze
Für Moldauer war die Grenze zu Rumänien immer durchlässig, sie sind nach Belieben hin und her gefahren, haben in Rumänien gearbeitet und in der Moldau gewohnt. Doch mit dem EU-Beitritt Rumäniens vor fünf Jahren ist für viele Moldauer schlagartig alles anders geworden. Plötzlich brauchen sie für Reisen nach Rumänien ein Visum, für längere Aufenthalte eine Genehmigung, und wenn sie arbeiten wollen, auch noch eine Arbeitsbewilligung. Der EU Beitritt Rumäniens ist damit zur Bedrohung für zehntausende Existenzen in der verarmten Republik Moldau geworden. Ein Rettungsanker ist das rumänische Staatsbürgerschaftsgesetz, das allen Moldauern die rumänische Staatsbürgerschaft bietet, wenn die Antragsteller auch rumänische Vorfahren nachweisen können.
"500.000 oder gar eine Million"
Jetzt wollen hunderttausende Moldauer Rumänen werden, also EU-Bürger, wie die Moldau-Expertin der Bukarester Soros-Stiftung, Victoria Nedelcuic erläutert: "Die rumänischen Behörden veröffentlichen keine Statistiken darüber, wie viele Anträge gestellt wurden. Meine Schätzung ist, dass derzeit 500.000, vielleicht sogar bis zu einer Million Menschen rumänische Staatsbürger werden wollen."
Vor dem Einwohnermeldeamt in Bukarest spielen sich teils chaotische Szenen ab. Dutzende Menschen stehen Schlange. Alles ehemalige Moldauer, die schon die rumänische Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommen haben und jetzt einen rumänischen Personalausweis oder Reisepass beantragen. Der EU-Pass ist für sie die Grundlage ihrer Existenz, wie sie uns sagen: "Wir sind in einer verzweifelten wirtschaftlichen Lage und gezwungen im Ausland nach Arbeit zu suchen. Der rumänische Pass ist ihre unsere einzige Chance."
Geschmiert geht es schneller
Rumänien ist bemüht, den Andrang ein wenig zu bremsen. Es dauert Jahre, bis die Antragsteller die rumänische Staatsbürgerschaft zugesprochen bekommen, und es dauert auch, bis die neuen Rumänen ihre begehrten Pässe in Händen halten. So manche sind daher versucht, mit Schmiergeld schneller voran zu kommen, erzählt ein junger Moldauer, der geschmiert hat: "Ich habe für den Pass 150 Euro bezahlt", sagt er, "samt fingierter Meldeadresse".
Erst kürzlich hat die Polizei bei einer Razzia korrupte Beamte überführt, die 250 Euro pro Pass von den Moldauern kassiert haben. Acht Beamte wurden verhaftet, gegen 36 wird ermittelt. Es besteht der Verdacht, dass es sich nur um die Spitze eines Korruptionseisberges handelt, wie die Staatsanwaltschaft vermutet. Korruption und illegale Migration sind die Hauptgründe, warum zahlreiche EU-Länder den Schengenbeitritt Rumäniens weiter blockieren.