Assad ignoriert Waffenruhe

Moskau hält Kurs in Syrien-Politik

Das syrische Regime unter Bashar al Assad macht keine Anstalten, sich an den internationalen Friedensplan zu halten, den UNO-Vermittler Kofi Annan ausgearbeitet hat. Nicht zum ersten Mal bricht Assad damit sein Wort gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Damit verliert er auch unter seinen letzten Verbündeten wie Russland immer mehr an Sympathien. Moskau hält dennoch an Assad fest.

Mittagsjournal, 10.4.2012

Eine Analyse von ORF-Russland-Korrespondentin Carola Schneider, im Gespräch mit

Nur leise Kritik

Eine weltpolitische Schlüsselrolle im Syrien-Konflikt hat Russland, und es gibt aus Moskauer Sicht offenbar nach wie vor vieles, das dafür spricht, sich hinter das unmenschliche Assad-Regime zu stellen. Russland hat in Syrien seine Mittelmeer-Marinebasis und Syrien ist einer der besten Kunden russischer Waffenschmieden - um nur zwei der möglichen Argumente zu nennen. Am Vormittag hat es im Moskau einen gemeinsamen Auftritt der Außenminister Syriens und Russlands gegeben mit der Behauptung von syrischer Seite, in einigen Städten seien die Truppen wie vereinbart abgezogen worden.

Nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow hat sein syrischer Amtskollege auch solche Beweise vorgelegt, nämlich dass Syrien begonnen habe, den Friedensplan umzusetzen, die Waffenruhe einzuhalten. Auch der syrische Außenminister Muallem selbst hat auf der Pressekonferenz bestätigt, man habe in einigen Städten mit dem Rückzug der Regierungstruppen begonnen. Ob das tatsächlich so ist, ist natürlich jetzt von Moskau aus schwer zu beurteilen. Der russische Außenminister hat jedenfalls auch die syrische Führung kritisiert, den Plan viel zu langsam umzusetzen.

Keine Einmischung erwünscht

In den vergangenen Tagen konnte man den Eindruck gewinnen, dass Russland zunehmend verärgert ist darüber, dass Assad so gar nicht zur Entspannung bereit ist. Solche Stimmen werden auch von Seiten Russlands immer lauter. Außenminister Lawrow hat erst vor kurzem in einem langen Interview in einem russischen Radiosender gesagt, dass das Regime Assad viele Fehler mache. Assad hätte zum Beispiel die zuerst friedlichen Proteste in Syrien nicht niederschlagen dürfen. Und wenn Syrien richtig reagiere, dann viel zu spät. Russland unterstütze nicht das Regime Assad, sagt Lawrow immer wieder, er hat übrigens auch im erwähnten Radio-Interview gemeint, sollte Assad Syrien verlassen wollen, in Moskau werde man ihn nicht willkommen heißen. Allerdings betont Russland, man wolle erreichen, dass die Syrer selbst über ihr Schicksal entscheiden und nicht die internationale Gemeinschaft.

Und Moskau wird auch mit Sicherheit weiterhin UNO-Resolutionen ablehnen, die ein Ultimatum an Assad darstellen, die auf einen Regimewechsel abzielen oder einen Militärangriff auf Syrien beinhalten. Russland weist hier auch immer wieder auf die Situation in Libyen hin, wo die internationale Gemeinschaft einen Machtwechsel erzwungen hat und Gaddafi gestürzt wurde, die politische Lage aber noch immer alles andere als stabil ist. Wie gesagt, Moskau betont, dass die Syrer selbst über ihre Zukunft entscheiden müssten.

Alle Kräfte an einen Tisch

Was genau passieren müsste, damit sich Moskau von Assad abwendet, ist schwer zu sagen. Es zeigt sich nur in letzter Zeit, dass auch Russland immer ungeduldiger wird mit dem syrischen Regime. Man lässt den alten engen Verbündeten nicht fallen, aber die Tonlage gegenüber Syrien hat sich zuletzt schon um einiges verändert.

Der Lösungsvorschlag aus der Sicht Moskaus lautet, dass sich in Syrien alle Kräfte, das Regime und auch die Opposition, an einen Tisch setzen und über die Zukunft im Land entscheiden, wenn das auch nach dem Blutvergießen ziemlich unwahrscheinlich scheint. Russland unterstützt auch den Friedensplan von Kofi Annan und fordert, dass so schnell wie möglich eine UNO-Beobachtermission nach Syrien geschickt wird, die sich ein objektives Bild der Lage machen kann. Russland werde selbst auch Beobachter schicken, sagt Außenminister.

Letzter Verbündeter

Die Interessen Russlands, am Regime Assad und dessen Menschenrechtsverletzungen festzuhalten, gehen weit über militärisch-strategische Interessen und Rüstungsexporte hinaus. Syrien ist ein langjähriger Verbündeter Russlands im arabischen Raum und mittlerweile der letzte verbliebene in dieser Region. Den will Russland nicht verlieren. Und solange Russland keine Garantien dafür hat, dass auch bei einem Regime-Wechsel sein Einfluss bestehen bleibt, wird es Assad unterstützen. Dazu kommt, dass Russland sich weiterhin als globaler Player sehen will, der sich nicht vom Westen diktieren lässt, wie seine Außenpolitik auszusehen hat. Das hat auch Regierungschef Putin im Präsidentschafts-Wahlkampf immer betont.

Russland mit eigenen Problemen

Und auch Russland selbst ist alles andere als eine entwickelte Demokratie - Putin selbst hat gesagt, sein Land sei für vollständige Demokratie gar nicht reif - fürchtet Putin innere Destabilisierung, wenn er außenpolitisch "weich" werden sollte? Diese Frage hat vielleicht während des Wahlkampfs eine Rolle gespielt, insgesamt aber setzt Putin hier sicher auf die außenpolitische Wirkung Russlands und weniger auf die innenpolitische. Und es gibt auch Stimmen, wenn auch nur vereinzelte, die hoffen, dass nach der Angelobung Putins Anfang Mai es vielleicht größere Beweglichkeit geben könnte. Dass sich Russland zur größeren Zusammenarbeit mit dem Westen bereit erklären könnte, allerdings natürlich nur in einer Weise, dass das Gesicht und die außenpolitische Rolle gewahrt bleibt.

China verbal zurückhaltender

Und neben Russland ist auch noch China in der Assad-Unterstützerfraktion – eine Abstimmung zwischen Moskau und Peking in der Syrien-Frage dürfte es nicht geben, jedenfalls wäre dies nicht bekannt. Aber beide Länder haben hier gleiche Interessen, sie lehnen die Einmischung von Außen in innere Angelegenheiten ab. Der Unterschied liegt nur darin, dass Peking sich verbal eher zurückhält und Russland die internationale Bühne überlässt, wenn es darum geht, diese Position laut zu verteidigen. Und das macht Russland noch so gerne.