Andreas Nohl im Gespräch

"Dracula" neu übersetzt

Er ist der Urvater aller Vampire: Vor allem die Verfilmungen mit Bela Lugosi, Klaus Kinski oder Gary Oldman haben den blutsaugenden Grafen ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Zum 100. Todestag von Dracula-Schöpfer Abraham "Bram" Stoker hat Andreas Nohl den Weltklassiker neu übersetzt.

Der neue "Dracula" ist eine Neuinszenierung des 1897 erschienenen Montageromans, der aus Tagebucheinträgen, Briefen und Zeitungsartikeln besteht. Behutsam hat der Übersetzer stilistische Unwuchten herausgearbeitet und den Figuren eigene Stimmen verliehen. Beispielsweise berlinert ein schottischer Seemann nun nicht mehr, sondern spricht Plattdeutsch.

"Der 'Dracula' gehört sicherlich zu dem Schwierigsten, was ich je übersetzt habe", sagte Nohl. Als Herausgeber sichtete er sämtliche Literatur über den adligen Untoten, studierte die Original-Ausgabe, wichtige britische Ausgaben sowie sämtliche Übersetzungen ins Deutsche. Vielleicht weil Stoker neben seinem Job als Theatermanager vor allem nachts schrieb, fanden sich selbst im Original eine Menge Fehler, etwa falsche Datierungen oder unlogische Handlungsabläufe.

Gespräch in Ex libris, 15.04.2012

Andreas Nohl übersetzte Bram Stokers "Dracula" neu.

Das Geheimnis von "Draculas" Erfolg liegt für Nohl in der "enormen mythischen Kraft" des Werks. "Die Moderne ist ja angetreten, die Mythen abzuschaffen. Ich sehe bei Stoker den Subtext, eine Art Märchendenken wieder in die Welt einzuführen."

Die Jagd auf den Angst und Schrecken verbreitenden Grafen trägt auch komische Züge. Die Vampirjäger um den Londoner Rechtsanwalt Jonathan Harker hantieren mit Knoblauch und geweihten Oblaten. Mit Hilfe von Bluttransfusionen versuchen sie, das Leben des ersten britischen Opfers Lucy zu retten. "Es ist ein Ritterroman zu Zeiten des Hochkapitalismus'. Die Figuren sind alle moderne Ritter, die Frauen raushauen und die Welt retten wollen. Das ist ein Hauptzug, warum das Buch noch diesen Erfolg hat", sagte der Übersetzer.

Stoker spielt mit der Anziehungskraft des Bösen. Nohl sieht das so: "Dracula ist im Grunde alles andere als erotisch. Er hat diesen entsetzlichen Mundgeruch, die Haare wachsen ihm auf den Innenhänden, er hat rote Augen, ist immer aschfahl. Ich weiß nicht, welche Frau sich auf den einlassen wollte. Aber er kann sich die Frauen unterwürfig machen durch Zauberei."

Service

Bram Stoker, "Dracula", herausgegeben, übersetzt, mit Anmerkungen und einem Nachwort versehen von Andreas Nohl, Steidl Verlag

Steidl Verlag - Dracula