Arizona steht vorm Höchstgericht

Streit über Einwanderungsgesetze

Im US-Wahlkampf wird die Integration von illegalen Einwanderern wird zum Thema. Umstritten ist ein Gesetz in Arizona, das der Polizei erlaubt, Menschen zu überprüfen, die durch ihre Hautfarbe, Sprache und Kleidung aussehen wie illegale Einwanderer.

Mittagsjournal, 25.4.2012

Tim Cupal berichtet aus den USA.

Anweisung an Behörden

Die Vereinigten Staaten gegen Arizona. Für den US-Supreme Court ist es heuer neben der Verhandlung über die Obama-Gesundheitsreform der wohl politisch brisanteste Fall. 2010 ist das Gesetz "Senate Bill (SB) 1070" in Kraft getreten. Schon damals hat SB 1070 massive Proteste ausgelöst, vor allem unter der hispanischen Bevölkerung. Schulungen über die Durchsetzung des Gesetzes sind für jeden Polizeibeamten und Hilfssheriff des Landes abgehalten worden, verpflichtend. Im Lehrvideo heißt es: "Sie müssen wenn möglich den Einwanderungsstatus jeder angehaltenen Person feststellen." Einwanderer können laut SB 1070 unbegrenzt lange und ohne Prozess festgehalten werden, bis ihr Einwanderungsstatus geklärt ist.

"Ein Verfassungsalptraum"

Brad Bannon, Rechtsexperte und Berater der demokratischen Partei, nennt das Gesetz in Bezug auf seine Verfassungsmäßigkeit einen wahren Alptraum. Im Zentrum der Kritik steht jener Passus der Polizisten erlaubt, Menschen zu überprüfen, die durch ihre Hautfarbe, Sprache und Kleidung aussehen wie Einwanderer. Bannon: "Eine Menge der Leute die in Arizona angehalten werden, sind US-Bürger lateinamerikanischer Abstammung, neun Mal mehr als Weiße. Kritiker sagen, dass damit der Gleichheitsgrundsatz im 14. Verfassungszusatz gebrochen wird."

Abschreckung wirkt

Das im Gesetz ausdrücklich festgeschrieben Ziel, die Abschreckung illegaler Einwanderer, ist trotz der Aufhebung von SB1070 durch Bundesgerichte erreicht worden. 200.000 Illegale haben Arizona laut staatlichen Angaben seit 2010 verlassen. Wie etwa Josie, die von Panikattacken mit Zitteranfällen und Atemnot erzählt, immer wenn ein Polizeiauto hinter ihr gefahren ist. Durch die Abwanderung der illegalen Arbeiter hat sich in Arizona, aber auch Alabama, Georgia, Indiana, South Carolina und Utah, die ähnliche Gesetze erlassen haben, eine unübliche Allianz gegen SB 1070 gebildet: Aus demokratischen Bürgerrechtlern auf der einen Seite und aus meist republikanischen Farmern und Geschäftsleuten auf der anderen Seite. Denn ihnen sind die billigen Arbeitskräfte zum Orangenpflücken oder Häuserbauen abhandengekommen. Eines ihrer Hauptargumente: Die Bundesstaaten überschreiten mit derartigen Gesetzen schlicht und einfach ihre Kompetenzen.

Glücksfall für Obama

Das Thema beginnt im Präsidentschaftswahlkampf hochzukochen. Eine ganze oder teilweise Aufhebung des Gesetzes wäre eine politische Niederlage für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney - er hat die restriktive Einwanderungspolitik von Arizona im Wahlkampf bisher massiv unterstützt. Präsident Barack Obama, der während seiner Amtszeit zum Thema Einwanderung auffällig wenig gesagt hat, kündigt jetzt im Falle seiner Wiederwahl neue Einwanderungsgesetze an. Obama befindet sich in einer durchaus angenehmen Win-win-Situation. Sollte das Gesetz aufgehoben werden, würde er in seinem Kurs bestätigt. Aber auch für den Gegenfall könnte Obama profitieren, meint Politberater Brannon: "Die Realität ist, die Hispanics sind die am schnellsten wachsende Wählergruppe. Sollte dieses Gesetz bestätigt werden, würde die Latino-Wahbeteiligung explodieren, mit hoher Wahrscheinlichkeit zugunsten der Demokraten. Das würde dem Präsidenten sehr helfen."
Die US-Öffentlichkeit steht laut einer aktuellen Reuters Umfrage der abschreckenden Einwanderungspolitik von Arizona mit knapp 70 Prozent mehrheitlich positiv gegenüber. Und das, obwohl der Strom mexikanischer Einwanderer in die USA langsam versiegt. Erstmals seit zwei Jahrzehnten haben laut dem unabhängigen Pew Hispanic Center mehr Mexikaner die USA verlassen als illegal betreten.