EU in Erklärungsnot

Griechisches Chaos als G-8-Thema

Während in Griechenland der Wahlkampf für die neuerlichen Parlamentswahlen begonnen hat, wächst international die Sorge vor einem chaotischen Austritt des Landes aus dem Euro. Die Spitzen der großen EU-Länder sind inzwischen auf dem Weg in die USA zum G-8-Gipfel. Dort werden sie erklären müssen, warum sie die Lage nicht in den Griff bekommen.

Morgenjournal, 18.5.2012

Raimund Löw berichtet aus Brüssel.

Kassandrarufe aus London

Schon in der Vorbereitung auf den G-8-Gipfel der führenden Wirtschaftsmächte haben die Europäer die wachsende Sorge der internationalen Partner vor der krisenhaften Entwicklung in Europa zu spüren bekommen. Die griechischen Turbulenzen werden den Druck zu einer klareren Linie erhöhen. Kassandrarufe kamen im Vorfeld aus Großbritannien, das zwar gerne auf Distanz bleibt, aber mit dramatischen Aufrufen freigiebig zur Hand ist. Zentralbankchef Mervyn King warnt, Europa betreibe sein eigenes Zerbrechen. Premierminister David Cameron verlangt, die Europäische Union müsse sich neu erfinden, oder sie zerfällt.

Allgemeines Nervenflattern

Am stärksten spürbar sind die Auswirkungen des allgemeinen Nervenflatterns in Spanien, dessen Banken in großen Schwierigkeiten stecken. Die Regierung in Madrid muss dementieren, dass Sparer so wie in Griechenland massiv Gelder von der angeschlagenen Großbank Bankia SA abziehen. Zu beruhigen versucht Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso vor den Vereinten Nationen: Die Europäische Union werde alles tun, dafür zu sorgen, dass Griechenland im Euro bleibt.

Linie für Camp David

Bei einer Videokonferenz hatten sich Donnerstagabend die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Großbritanniens mit EU-Ratspräsident Herman van Rompuy auf eine gemeinsame Linie bei den Verhandlungen in Camp David verständigt. Budgetkonsolidierung und Wachstum wolle man parallel betreiben, heißt es aus Berlin.

Druck auf Griechenland

Konkret verstärkt wird der Druck auf Griechenland jetzt auch vom Internationalen Währungsfonds. Der Fonds, der entscheidend am Finanzierungsprogramm beteiligt ist, hat vorläufig alle Kontakte mit der Regierung in Athen aufs Eis gelegt. Man will erst wieder mit Griechenland reden, wenn es dort eine handlungsfähige Regierung gibt. Der am 17.Juni angesetzte Wahlgang wird ja von den Europäischen Spitzenpolitikern als Referendum über den Verbleib des Landes im Euro bezeichnet. Man hofft, auf diese Weise radikalen Parteien den Wind aus den Segeln zu nehmen. Tatsächlich liegen jetzt erstmals in einer Umfrage die Konservativen vor den Linksalternativen der Syriza-Partei.

Der einzige EU-Politiker, der angesichts der dramatischen Alternativen selbst nach Griechenland fährt, ist Parlamentspräsident Martin Schulz. Schulz will in Athen allen großen Parteien, auch Syriza-Chef Alexis Tsipras, den Ernst der Lage auseinandersetzen.