Vom Außenseiter zum Präsidenten Serbiens
Nikolic: Vom Extremisten zum Europäer
Der Überraschungssieger der serbischen Präsidentenwahl, Tomislav Nikolic, ist für ausländische Beobachter schwer einzuschätzen. In internationalen Reaktionen wird Nikolic aufgefordert, den europäischen Kurs fortzusetzen. Die Sorge hat ihre Wurzeln in Nikolic' radikal-nationalistischer Vergangenheit - mit der Nikolic abgeschlossen hat, wie er beteuert.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.5.2012
Erstaunliche Entwicklung
Tomislav Nikolic galt als der größte Verlierer der serbischen Politik. Er war seinem Gegner Boris Tadic bei Präsidentenwahlen zweimal unterlegen. Mit seiner extrem nationalistischen Radikalen Partei (SRS) war er immer wieder Gewinner bei Parlamentswahlen, konnte aber mangels Bündnisgenossen keine Regierung bilden.
Nur für fünf Tage war er 2007 Parlamentspräsident, dann vertrieb ihn eine neue Mehrheit aus dem Amt. Der 60-Jährige wandelte sich vom Extremisten zum Europäer und Demokraten. Seine erst 2008 gegründete gemäßigte Fortschrittspartei (SNS) wurde Erster bei den Parlamentswahlen - und konnte doch wieder wegen fehlender Koalitionspartner nicht an die Regierung.
Der Überraschungserfolg bei den Präsidentenwahlen ist umso erstaunlicher, weil alle Wahlforscher seinem Gegner Tadic einen glänzenden Sieg vorausgesagt hatten. Sein Erfolg ist umso höher einzuschätzen, als die USA und die EU sowie die Medien in Serbien Tadic massiv unterstützt hatten. Während die Wahlkampfstrategen von Tadic im Geld schwammen, musste Nikolic mühsam Mittel zusammenkratzen.
Verehrer und Nachfolger Seseljs
Der Bautechniker Nikolic war glühender Verehrer des vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal angeklagten Vojislav Seselj, als dessen Nachfolger er auch die Führung der Radikalen Partei übernahm. Als Freiwilliger hatte er vier Monate am Bürgerkrieg in Kroatien teilgenommen. Die Schaffung eines Großserbien war das Ziel. Seine Radikalen und Nikolic selbst als Vizeregierungschef (1998-2000) waren die größten Stützen des ebenfalls vom Tribunal angeklagten und inzwischen gestorbenen serbischen Autokraten Slobodan Milosevic.
Unklarheit über weiteren Kurs
Dem aus einem schwierigen Elternhaus in der Stadt Kragujevac stammenden Nikolic haftete stets ein Stück Provinzialismus an. Das Etikett "Toma, der Totengräber" stammt aus seiner Zeit als Technischer Direktor des Friedhofs seiner Heimatstadt. Zuletzt wartete er mit einem Unidiplom auf, das von den Medien in den letzten Wochen als zwielichtig in Frage gestellt wurde. Für Spekulationen sorgen auch teure Eigentumswohnungen des nach eigener Aussage ursprünglich fast mittellosen Mannes. Obwohl er in der Regel betont ruhig auftritt, kann er seine Gegner schon mal als "Weicheier", kroatische Faschisten oder "Stück Scheiße" beschimpfen. Über seinen zukünftigen politischen Kurs herrscht große Unklarheit: Kehrt er wieder zu seinen radikal-nationalistischen Wurzeln zurück oder will er Serbien doch mit Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft modernisieren und den Weg in Richtung Brüssel weitergehen. (APA. Red.)