Ausstellung im Naturhistorischen Museum

Daniel Spoerris Knochen-Arbeit

Auf Einladung des Naturhistorischen Museums in Wien hat sich der Schweizer Objektkünstler Daniel Spoerri auf einen unkonventionellen Dialog mit der Wissenschaft eingelassen. Ein Jahr lang hat er die umfangreichen Depots, Archive, Werkstätten und Sammlungen des Museums besucht und sich künstlerisch inspirieren lassen.

Kulturjournal, 22.05.2012

Ein Rundgang durch die Sonderausstellung im Naturhistorischen Museum kann einen schon in kindliches Staunen versetzen: Im ersten Raum steht da etwa der "Austernschabracken-Pferdeskelett-Spießbock-Kümmerer", ein Pferdeskelett, das Daniel Spoerri mit fossilen Überresten anderer Tiere versehen hat.

Mit bewusster Unvoreingenommenheit hat der 82-Jährige seine Kunst mit der Wissenschaft konfrontiert. "Ein inkompetenter Dialog?" lautet auch der Titel der Ausstellung, der in Form einer Frage formuliert ist. Besonders fasziniert ist Spoerri von den Wunderkammern, die Menschen im Zeitalter der Renaissance eingerichtet haben.

Damals hätten sie alles, was sie sich nicht erklären konnten, gesammelt, so Spoerri, denn was man sich nicht erklären konnte, war ein Wunder. "Das ist für mich dasselbe", sagt Spoerri, "ich sehe Dinge, die mich faszinieren - ich weiß nicht, warum -" und seine Sammelleidenschaft ist geweckt.

Schädel mit "überflüssigen Macho-Objekten"

Ein Jahr lang hat sich der Objektkünstler und Sammler auf Einladung des Naturhistorischen Museums durch die Depots des Hauses führen lassen. Wie ein Mäuschen habe er in den Sammlungen mit ihren Millionen von Objekten herumgestöbert, berichtet Spoerri, und habe dabei allerlei Kurioses entdeckt. Eine besondere Rarität ist etwa ein Narwalschädel mit zwei Stoßzähnen - normalerweise bilden Narwale, Verwandte des Delphins, nur einen Stoßzahn aus. Wozu dieses scharfe Werkzeug gedient habe, darüber gebe es bis heute nur Mutmaßungen, erklärt Spoerri während der Presseführung.

Wahrscheinlich sei es eines der "überflüssigen Macho-Objekte", meint Spoerri, "eines der Objekte, mit denen er sich den Weibchen als besonders aufregend darstellte. Erstaunlicherweise waren diese Tiere mit dem phallischen Horn die Begleiter der Mutter Gottes."

In den herrschaftlichen Wunderkammern präsentierte man die bis zu drei Meter langen Stoßzähne auch als Beweis für die Existenz von Einhörnern. Spoerri nimmt darauf Bezug und konfrontiert das kostbare Exemplar des Naturhistorischen Museums mit mehreren kreisförmig angeordneten Pferdeschädeln, auf denen er wiederum Narwalhörner fixiert hat, als wären es die Überreste von Einhörnern.

Mit dem "speziellen Blick" des Künstlers

Thematisch ist die Ausstellung breit gefächert: Von der prähistorischen Abteilung über die Anthropologische Sammlung mit ihrer Unzahl an menschlichen Schädeln bis hin zum zoologischen Bereich hat sich Spoerri mit allen Disziplinen des Hauses befasst und er habe dabei die große Erfahrung eines langjährigen Sammlers an den Tag gelegt, berichtet Museumsmitarbeiter und Co-Kurator Reinhard Golebiowski: "Er ist der Künstler und hat diesen speziellen Blick und diesen Humor."

Es ist Daniel Spoerris spezieller Sinn für Humor, der den Dialog des Künstlers mit naturhistorischen Objekten fruchtbar macht und den Eindruck entstehen lässt, dass auch die vermeintlich vernünftige Wissenschaft nicht frei von Kuriositäten ist.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Naturhistorischen Museum ermäßigten Eintritt (EUR 2,-).

Naturhistorisches Museum - Daniel Spoerri