Amnesty klagt an

Menschenrechtsgerichtshof ausgehöhlt

Die Menschenrechtssituation wird weltweit besser - zu diesem Schluss kommt Amnesty International (AI) im aktuellen Jahresbericht. Trotzdem würden immer noch in über 100 Ländern Menschen gefoltert und misshandelt, stellt AI fest. Weiterer Kritikpunkt: In Europa werde ein wichtiges Instrument für Menschenrechtsarbeit ausgehöhlt: der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Morgenjournal, 24.05.2012

Tanja Geleckyj

Wird ausgehungert

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, kurz EGMR, sei die Krone des europäischen Menschenrechtsschutzes, sagt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International. Doch der EGMR sei laufend in Gefahr, ausgehungert zu werden: „Es gibt laufend Attacken und Versuche, diese sehr lästige Wanze im Pelz europäischer Regierungen mundtot zu machen“.

Maßgebliche Entscheidungen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte leiste seit 15 Jahren höchstrangige Menschenrechtsarbeit, so Patzelt. Der EGMR habe bereits zu vielen strukturellen Menschenrechtsproblemen in Europa maßgebliche Entscheidungen getroffen.

Patzelt verweist etwa auf ein Urteil gegen Italien, das im Februar wegen der Pauschalabschiebung von Bootsflüchtlingen nach Libyen zu Entschädigungszahlungen verurteilt worden war.

Dringend mehr Personal

Doch immer wieder würden Regierungen versuchen, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auszuhöhlen. So hätte etwa die britische Regierung probiert, absurde Dinge in das Statut hineinzunehmen, kritisiert Amnesty Generalsekretär Heinz Patzelt. Es sollte eine Sunset-Klausel eingeführt werden zur Niederschlagung von Fällen, die nach zwei Jahren noch nicht behandelt wurden – im Wissen um den Personalmangel beim Gericht.

Im Moment gibt es laut Amnesty International 60. bis 80.000 anhängige Verfahren. Daher brauche der Gerichtshof in jedem Fall mehr Personal, fordert Patzelt. Denn die erzieherische Wirkung sei ganz sicher besser, wenn verantwortliche Politiker direkt und noch im Amt verurteilt werden würden.

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