Ein Faible für Leonard Cohen

Christine Nöstlinger zwischen Kunst und Kitsch

"Kunst ist für mich alles, was mich anrührt und emotionalisiert", sagt die Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger. Kunst komme in den meisten Fällen unvermittelt, meint sie. "Am besten kann man es wahrscheinlich mit einem Bild erklären. Es ist dieser Moment, indem man es betrachtet und es plötzlich wow macht."

Dieser "Wow-Effekt", den Christine Nöstlinger bei der Rezeption von Kunst ausmacht, stelle sich allerdings nicht ausschließlich bei anspruchsvollen Werken ein. Der Grat zwischen Kunst und Kitsch sei ein schmaler, meint die Autorin. Den Genuss von Kitsch will sie sich jedoch nicht gönnen, auch wenn das manchmal noch so verführerisch sei. Kitsch, das sei die Erzeugung größtmöglicher Effekte mit den allerbilligsten Mitteln.

"Es gibt zum Beispiel völlig verkitschte Filme, bei denen ich gerührt bin. Da zappe ich sofort weg. Es ergreift mich, aber ich will das nicht haben. Ich will weder unter meinem Niveau lachen, noch unter meinem Niveau weinen."

Die Erotik des Leonard Cohen

Einem Künstler ist Christine Nöstlinger besonders zugetan: dem kanadischen Singer-Songwriter Leonard Cohen. Er ist für sie die Ausnahme ihrer selbst verordneten Kitsch-Enthaltsamkeit. Schon in jungen Jahren fiel Christine Nöstlinger ein Gedichtband Leonard Cohens in die Hände. Richtig beeindruckt war sie jedoch erst von der Bühnenpräsenz des 1934 in Montreal geborenen Musikers.

"Er ist, glaube ich, der erotischste Mensch, den ich je gesehen habe. Wenn er so auf der Bühne steht, mit seinen ganz dezimierten Hüftbewegungen, das ist einfach grandios. Und dann diese unheimlich erotische Stimme."

Wie auch in ihren eigenen Texten, etwa der jüngst erschienen Kolumnensammlung "Eine Frau sein ist kein Sport", spendet Leonard Cohen Trost und Rat in allen Lebenslagen. "Meistens geht es um Liebe, aber auch um Trauer, um Drogen, es kann auch um Erektionen gehen, die schwer zu bewältigen sind, aber meistens geht es um die Liebe."

Verehrung und Gelassenheit

Wann immer es ihr möglich ist, versucht Christine Nöstlinger ihren Lieblingsmusiker auch live zu erleben. In Wien hat sie ihn schon oft gesehen, einmal auch in New York, wo sie zufälligerweise auch einmal neben ihm am Frühstückstisch saß. Den verehrten Künstler anzusprechen und ihrer Bewunderung von Angesicht zu Angesicht Ausdruck zu verleihen, das wäre ihr jedoch nie in den Sinn gekommen: "So eine Art von Fantum liegt mir nicht. Ich würde auch nie um ein Autogramm ersuchen. Das finde ich abstrus."

Leonard Cohen hört sie überwiegend beim Aufräumen. Eigentlich sei es ja eine Beleidigung dem Künstler gegenüber, die Musik als bloßes Hintergrundgeräusch laufen zu lassen, räumt Christine Nöstlinger ein. Beim Putzen sei das allerdings kein Problem. Was Leonard Cohen dazu sagen würde, dass er bloß den Soundtrack für die Reinigungsarbeit liefert, ist wieder eine andere Frage. "Das ist mir auch wurscht, ob der Herr Cohen beleidigt ist. Soweit ich weiß, ist er auch buddhistischer Mönch und da muss er ja ohnehin gelassen sein".