Wieder politisches Chaos in Ägypten

Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts, die Auflösung des islamistisch dominierten Parlaments zu veranlassen, haben sich auf dem Tahrir-Platz in Kairo Demonstranten versammelt, um gegen die Entscheidung zu protestieren. Der Oberste Militärrat in Ägypten beriet in einer Krisensitzung über das Urteil.

Morgenjournal, 15.6.2012

Neue Proteste auf Tahrir-Platz

Kaum ist der Beschluss der Verfassungsrichter verkündet, brechen in Kairo wieder Tumulte aus. Vor dem Sitz des Verfassungsgerichts in Kairo kommt es zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und sogenannten jungen Revolutionären. Am altbekannten Schauplatz, dem Tahrir-Platz, rufen Demonstranten Sprechchöre: "Nieder mit dem Militär!", "Revolution, Revolution!" Ein enttäuschter Teilnehmer meint, das sei "das Ende unserer Träume". Die Menschen auf dem Tahrir-Platz fühlen sich um ihre Revolution betrogen. Sie befürchten, dass die Militärs weiter die Zügel in der Hand halten wollen, obwohl sie versprochen hatten, am 30. Juni die Macht an einen gewählten Präsidenten abzugeben.

Parlament aufgelöst

Die Richter befanden, dass ein Drittel der Parlamentssitze nicht verfassungsgemäß vergeben worden sei. Ein Teil des Wahlgesetzes, das auch Parteimitgliedern die Kandidatur für Sitze unabhängiger Kandidaten erlaubt hatte, sei verfassungswidrig. Die Richter verlangen eine neue Wahl und haben das Parlament aufgelöst. Außerdem haben sie für die bevorstehende Stichwahl einen Präsidentschaftskandidaten bestätigt, den es laut Gesetz gar nicht geben dürfte. Denn Ahmed Shafik war immerhin der ehemalige Regierungchef Mubaraks. Er darf jetzt ganz offiziell gegen Mohammed Mursi, den Kandidaten der Moslembrüder, antreten. (APA, Red.)