Streit um Homosexuellen-Ehe

Homosexuelle können in Großbritannien seit 2005 eine zivile Partnerschaft eingehen und sind verheirateten Paaren rechtlich völlig gleichgestellt. Dass ihnen der Gang auf das Standesamt verwehrt bleibt, empfinden viele als Diskriminierung. Premierminister David Cameron will bis zur nächsten Wahl die zivile Ehe für Homosexuelle einführen. Die Kirche ist dagegen.

Mittagsjournal, 16.6.2012

ORF-Korrespondentin Bettina Madlener berichtet aus London.

Homosexueller Minister: "Fundamentaler Schritt"

Als vor sieben Jahren in Großbritannien die zivile Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare rechtliche Wirklichkeit wurde, machten die anglikanischen Kirchenvertreter keine Freudensprünge. Sie trösteten sich aber mit dem Gedanken, dass mit der rechtlichen Gleichstellung einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, das Thema Homosexuellen-Ehe endlich vom Tisch sei. Weit gefehlt, denn der konservative Premierminister David Cameron stellt sich an die Spitze des Wandels.

Er brachte im Herbst ein Konsultationspapier zur Frage ein, wie die rechtlichen Weichen für eine gleichgeschlechtliche "Ehe" zwischen homosexuellen, bisexuellen und auch transsexuellen Paaren gestellt werden könnten.

Nick Herbert, Minister im Innenministerium lebt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, er sieht die Öffnung der Ehe für alle als fundamentalen Schritt in die völlige Anerkennung Homosexueller: "Es geht darum, was für eine Gesellschaft wir haben wollen und um das Prinzip der Gleichstellung. Aber es geht auch darum, eine Institution zu stärken."

Church of England: "Regierung handelt oberflächlich"

Die Kirche von England warnt eindringlich vor diesem Schritt. Die "Church of England", die Mutterkirche der anglikanischen Gemeinschaft, betonte in einem diese Woche veröffentlichten Brief, dass die Ehe eine Vereinigung zwischen Mann und Frau sei und heterosexuellen Paaren vorbehalten bleibe sollte.

Sie wirft der britischen Regierung vor, das Thema oberflächlich zu behandeln und die Bedeutung der Neudefinition der Ehe herunterzuspielen. Der Bischof von Norwich, Graham James: "Die eingetragene Partnerschaft ist die rechtliche Anerkennung einer stabilen, treuen Beziehung gleichgeschlechtlicher Paare. Die Änderung der Definition der Ehe betrifft uns alle. Der Staat läuft Gefahr, eine uralte Institution ohne großes Nachdenken zu ändern."

Parlament: "Wir entscheiden, was die Ehe ist"

Die Kirche habe nichts zu fürchten, beruhigt wiederum die Regierung. Homosexuellen Paaren bleibe die kirchliche Trauung weiterhin verwehrt, auch wenn das von einigen gefordert wird. Der Bischof von Norwich ist nicht überzeugt: "In der Kirche von England haben Paare das Recht in ihrer Kirchengemeinde getraut zu werden, die Geistlichen pflegen auch das Eheregister. Wir bezweifeln, dass im Falle einer Klage die Zusicherungen der Regierung halten werden."

Allfällige Klagen gegen die Kirche wären ein Fall für die Gleichstellungskommission. Deren Vorsitzender Trevor Phillips hält es für ausgeschlossen, dass die Kirche rechtlich gezwungen werden könnte, homosexuelle Paare zu trauen: "Wir glauben nicht, dass der Europäische Gerichtshof diese Haltung jemals einnehmen könnte und wir würden eine solche Klage auch nicht unterstützen. Aber ich glaube auch, dass der sich ändernde Status der Kirche von England diskutiert werden muss. Vor 500 Jahren sagte der Staat zur Kirche, ihr entscheidet wie man Ehe definiert, und jetzt sagt das Parlament, wir entscheiden, was die Ehe ist."

Die Öffentlichkeit ist in Umfragen mehrheitlich für die Homosexuellen-Ehe. Die anglikanische Kirche kann es sich nicht leisten, abseits zu stehen und gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare dogmatische Gründe anzuführen. Dogmen waren immer schon ein Fremdkörper innerhalb der Staatskirche.