Präsident erstmals offen dafür

Wahlkampf: Obama für Homosexuellen-Ehe

US-Präsident Barack Obama beginnt seinen Wahlkampf mit einem politischen Paukenschlag: In einem TV-Interview tritt er offen für die gleichgeschlechtliche Ehe ein. Damit eröffnet er eine Debatte, die in den USA einem Kulturkampf gleicht, denn kaum jemand hat dazu keine Meinung. Die Republikaner hoffen darauf, ihre religiös-fundamentalistische Basis mobilisieren zu können.

Mittagsjournal, 10.5.2012

Kalkulierter Tabubruch

Der Fernsehsender ABC hat sein Exklusiv-Interview bereits vorab beworben. Es sei ein historischer Moment, sagt die Moderatorin, es gehe um die Homosexuellen-Ehe. Es ist ein beabsichtigter und kalkulierter Tabubruch, den Präsident Barack Obama begeht. Denn zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte tritt ein Präsident offen für die gleichgeschlechtliche Ehe ein. Noch im Wahlkampf vor vier Jahren war er dagegen. Doch seither habe er sich durch viele Gespräche - auch mit seinen Kindern - gewandelt, sagt Obama - der auch darauf verweist, dass es sogar im Weißen Haus Mitarbeiter gebe, die in homosexuellen Partnerschaften lebten. Für ihn sei es deshalb wichtig, voranzugehen und zu bestätigen, dass er persönlich denke, gleichgeschlechtliche Paare sollten heiraten können, sagt Obama in dem TV-Interview.

Republikaner hoffen auf Motivation

Obama hat damit eine Moral- und Wertedebatte eröffnet, die in den USA seit langem immer wieder geführt wird und die alle Ingredienzien eines Kulturkampfes in sich trägt - ganz ähnlich wie die Diskussion über die Abtreibung. Darauf hoffen auch die Republikaner, die den demokratischen Präsidenten Obama gerne nach nur einer Amtszeit im Herbst abgewählt sehen würden. Sie spekulieren darauf, dass die Frage der Homosexuellenehe mehrheitlich abgelehnt wird und die eigene, konservative Wählerschaft zu den Urnen treiben wird. Obamas Präsidentschaftsgegner Mitt Romney hat auch schon seine Antwort auf das Interview bereit: "Ich bleibe bei meiner Meinung über die Ehe, so wie ich sie auch schon als Gouverneur vertreten habe", sagt er und: "Ich glaube, die Ehe ist eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau."

Umfragen geben Obama recht

Obama soll als Linksextrem dargestellt werden, ein Schimpfwort im politischen Geschäft der USA. Doch das Kalkül des amtierenden Präsidenten ist offensichtlich ein anderes. Auch wenn 31 der 50 US-Bundesstaaten die gleichgeschlechtliche Ehe als verfassungswidrig verbieten und nur sechs sie dezidiert erlauben: Die Umfragen sehen die Amerikaner in zwei ziemlich gleich große Lager geteilt - mit leichtem Überhang zur Meinung des Präsidenten. Es sind vor allem Junge und Unabhängige - also potenzielle Obama-Wähler, die kein Problem mit der Homosexuellen-Ehe haben. Bei den konservativ-religiösen Wählern hat der Präsident ohnedies nur unterdurchschnittliche Chancen auf die eine oder andere Wählerstimme. Zugleich hat sich Obama mit seinem politischen Paukenschlag auch wieder in der Bürgerrechtsbewegung als einer der Ihren verankert. Diesen Wählern verdankte er vor vier Jahren seinen deutlichen Sieg.