Krisenmanagement vor EU-Gipfel

Zwei Tage noch bis zum Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Nichts weniger als die Zukunft der EU soll diskutiert werden mit abgestimmter Haushaltspolitik aller Länder in einer Fiskalunion, mit einer Bankenunion und gemeinsamer Haftung für die Schulden: Pläne für die ferne Zukunft, die überlagert werden vom aktuellen Krisenmanagement. Mit Zypern hat jetzt das fünfte Land um Schutz unter dem Euro-Rettungsschirm angesucht.

Mittagsjournal, 26.6.2012

Aus Brüssel,

Dringender Handlungsbedarf

Es fehlt nicht an Warnungen vor dem Untergang. Drei Monate Zeit hat die Direktorin des Internationalen Währungsfonds Christine Lagarde den Euroländern zuletzt noch gegeben, um ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Das mag übertrieben sein. Handlungsbedarf ist aber gegeben. Nach Spanien hat gestern Abend auch Zypern um Hilfe bei den Europartnern angesucht. Auf zehn Milliarden Euro wird der Finanzbedarf geschätzt. Ein Bruchteil der Summen, die für die anderen Länder unter dem Rettungsschirm bereitgestellt werden müssen. Aber mit Zypern, das ab Sonntag auch Vorsitzland der EU wird, ist nun fast schon ein Drittel der Euroländer auf Hilfe angewiesen.

Entscheidender Gipfel

Im Vorfeld des Gipfels der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel stehen aber Langzeitprobleme im Vordergrund. Heute werden sich in Paris dazu die Finanzminister Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Spaniens treffen. Der französische Finanzminister Pierre Moscovici hat hohe Erwartungen: „Dieser Gipfel ist nicht die letzte Chance, aber er ist entscheidend. Er muss die Basis legen für die zweite Phase des Euro. Er muss zeigen, ob wir fähig sind zu mehr Integration der Banken, der Finanzpolitik, des Wachstums und der strengen Regeln. Wir müssen die Basis für ein Europa des Vertrauens legen."

Reizwörter noch vermieden

Dieses Europa des Vertrauens schwebt auch den vier EU-Spitzenpolitikern vor, die beim letzten Gipfel im Mai den Auftrag bekommen haben, Zukunftsvisionen für die Währungsunion zu entwickeln. EU-Kommissionspräsident Barroso, Ratspräsident van Rompuy, der Präsident der Europäischen Zentralbank Draghi und Eurogruppenchef Juncker wollen dafür am Gipfel einen Plan präsentieren. Der Entwurf dafür liegt dem ORF vor. Darin werden die Reizwörter Bankenunion und Fiskalunion vermieden. Stattdessen ist von integriertem Finanzrahmen die Rede. Und dann kommt es auch dicker: Neben gemeinsamer Bankenaufsicht brauche es einen Fonds für die Abwicklung von Pleitebanken und eine gemeinsame Einlagensicherung. Bei strengerer gegenseitiger Budgetaufsicht der Länder müsse es auch Schritte in Richtung gemeinsamer Anleihen geben - also Eurobonds.

Zu allem, wo gemeinsame Haftung drauf steht, wie bei den Eurobonds oder bei der gemeinsamen Einlagensicherung, hat Deutschland bisher strikt nein gesagt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel schließt das für die Zukunft allerdings auch nicht aus. Sie will dann aber Einspruchsrechte gegen das Schuldenmachen in den anderen Ländern. Also Abgabe von Entscheidungshoheit. Da sind wiederum Frankreich und Italien skeptisch.

Ein langer Weg, für den es am Gipfel bestenfalls einen Fahrplan geben kann. In der Zwischenzeit ist die Krisenfeuerwehr im Einsatz. Neben Zypern hat die Ratingagentur Moody's gerade fast 30 spanische Banken herabgestuft - unter anderem jene, die demnächst Geld vom Euro-Rettungsfonds erhalten sollen, weil das Spanien alleine nicht mehr zugetraut wird.