ESM: Alle Blicke auf Deutschland
Der deutsche Bundestag hat den europäischen Stabilitätsmechanismus kurz ESM und den Fiskalpakt verabschiedet, mit deutlicher Mehrheit. In Kraft treten kann beides trotzdem noch nicht, weil einige Abgeordnete geklagt haben. Sie sehen das Grundgesetzt in Deutschland gefährdet. Entscheiden müssen jetzt die obersten Verfassungshüter - die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Europa muss damit auf Deutschland warten.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 2.7.2012
Aus Berlin,
Angst vor Entmachtung des Parlaments
Kaum hatte der Bundestag am vergangenen Freitag ESM und Fiskalpakt zugestimmt, ist auch schon das Faxgerät in Karlsruhe angegangen. Ausgeworfen hat es Verfassungsbeschwerden des Vereins "Mehr Demokratie", denen sich rund 12.000 Bürger angeschlossen haben, und dann waren auch Klagen von der Fraktion die Linken und eine Klage des CSU Politikers Peter Gauweiler sowie Einzelklagen von mehreren Privatpersonen darunter. Allen ist eines gemeinsam: Sie sind gegen ESM und Fiskalpakt. Letzterer würde laut Sarah Wagenknecht, sie ist stellvertretende Parteichefin der Linken, die Budgethoheit des deutschen Parlaments massiv beschneiden: und eine Entmachtung des Parlaments bedeuten.
Zuviel Macht abgeben
In eine ähnliche Richtung gehen die Vorwürfe in Sachen ESM - vor allem das für den Mechanismus geplante Direktorium würde zu viel Macht bekommen, ist der CSU Politiker Peter Gauweiler überzeugt: und die Direktoren hätten ein Schweigerecht und zwar gegenüber nationalen Parlamenten wie Gauweiler betont und das würde ebenfalls der Budgethoheit des deutschen Parlaments widersprechen. Damit auch letztendlich dem Recht des Volkes, weil dieses ja von den Abgeordneten vertreten wird, so Gauweiler.
Nicht die erste Klage
Deshalb müssen wieder einmal die obersten Verfassungsrichter entscheiden. Es ist nicht das erste Mal. Seit Rettungsschirme aufgespannt werden, seit Deutschland mit Milliarden von Euro dafür haftet, und Mechanismen erfunden werden, die mehr Kompetenzen nach Brüssel abziehen, klagen immer wieder Eurokritiker in Karlsruhe. Dieses Mal geht es zunächst um einen Antrag auf einstweilige Anordnung. Das heißt um die Frage, ob dem Bundespräsidenten Joachim Gauck die Unterschrift unter die Gesetze, die notwendig ist, damit sie in Kraft treten können, untersagt wird, weil es grundsätzliche Bedenken gibt. Gibt es diese, dann müsste es zu einer Entscheidung in der Hauptsache kommen.
Offener Ausgang
Bisher haben die Richter in Karlsruhe meist einen Mittelweg gefunden. Den politischen Kurs der deutschen Bundesregierung durch die Eurokrise haben sie bisher nicht im Widerspruch zum deutschen Grundgesetz gesehen. Dafür haben sie meist in einzelnen Punkten die Rechte der Abgeordneten in Budgetfragen gestärkt. Wie die Richter diesmal entscheiden werden, will derzeit kaum jemand prognostizieren. Immerhin gibt es einen ungefähren Zeitrahmen - innerhalb weniger Wochen will man über die einstweilige Anordnung entscheiden. Sollte es zur Verhandlung der Hauptsache kommen, könnte dies mehrere Monate dauern - sollte dann auch noch den Klagen recht gegeben werden und ESM und Fiskalpakt dem deutschen Grundgesetz widersprechen, würde dies nicht nur ein gewaltiges Problem für Deutschland sondern auch für Europa bedeuten - aber in diese Richtung will derzeit bis auf die Kläger kaum jemand denken, vor allem die deutsche Regierung nicht.