Deutscher Streit nach EU-Gipfel

Das deutsche Parlament hat am Freitag mehrheitlich dem europäischen Stabiliätsmechanismus, kurz ESM, und dem Fiskalpakt zugestimmt. Damit sendet Deutschland ein wichtiges Signal an andere Staaten, die beides noch nicht ratifiziert haben. Aber auch in Deutschland ist das Kapitel noch nicht ganz abgeschlossen.

Morgenjournal, 30.6.2012

ORF-Korrespondent Johannes Marlovits berichtet aus Berlin.

Merkel: "Wichtiges Signal"

Die Abstimmung am Freitag, kurz vor der Sommerpause, hat gezeigt, was auf die deutschen Abgeordneten künftig zukommt: hochkomplexe Materien möglichst schnell behandeln und beschließen. ESM und Fiskalpakt sind nur zwei davon und für beide haben die Abgeordneten mehr Zeit gehabt, sich einzulesen.

Deshalb wurde auch nur darüber abgestimmt, so wie es mit der Opposition vereinbart war. Bundeskanzlerin Angela Merkel dankt: "Deutschland sendet mit der Verabschiedung von Fiskalpakt und ESM-Vertrag in Bundestag und Bundesrat parteiübergreifend ein wichtiges Signal aus. Es ist ein Signal der Geschlossenheit und der Entschlossenheit, nach innen wie nach außen. Ein Signal, die europäische Staatsschuldenkrise zu überwinden und zwar nachhaltig, und ein Signal, das für uns Europa unsere Zukunft bedeutet."

Verhaltenes Lob von der SPD

Die Beschlüsse, die beim Gipfel in Brüssel gefasst wurden, waren noch nicht zur Abstimmung frei gegeben. Diese müssten noch genauer begutachtet werden, aber grundsätzlich bezeichnet auch die Opposition diese als richtig, gehen sie doch in die Richtung, die von der Opposition gefordert wurde. Dazu SPD-Chef Sigmar Gabriel: "Damit das gleich am Anfang klar ist: Wir finden die Wachstumsbeschlüsse des EU-Gipfels richtig."

So viel Lob will man der Kanzlerin aber doch nicht gewähren. Mittlerweile gäbe es einen gewaltigen Vertrauensverlust, meint der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin: "Dazu haben Sie auch beigetragen, Frau Bundeskanzlerin, mit ihrer Strategie des Zögerlichen und Zuwenigen dessen was unter dem Begriff 'too little, too late' gefasst worden ist. Das hat diese Vertrauenskrise mit verstärkt."

Die Linke klagt

Mit den Beschlüssen des Gipfels werde man das Vertrauen wieder zurück gewinnen können, ist Merkel überzeugt, zum Beispiel mit einer neuen Bankenaufsicht, die der Europäischen Zentralbank mehr Rechte einräumen soll: "Ich kann das auch sehr gut begründen, weil die EZB als die Bank, die den Banken überall Geld, Liquidität zur Verfügung stellt, ein immanentes Interesse daran hat, dass diese Banken in Ordnung sind, weil sonst die EZB selber in Probleme gerät."

All das geht einer Partei hier in Deutschland längst schon viel zu weit, den Linken. Deshalb ist auch der gestern angenommene ESM wie der Fiskalpakt noch nicht endgültig ratifiziert, denn Abgeordnete vor allem der Linken, haben Klagen eingebracht. Ihrer Ansicht nach werde das Haushaltsrecht des Bundestages beeinträchtigt. Eine Entscheidung der Verfassungsrichter soll es innerhalb von Wochen geben, heißt es.

Das Inkrafttreten von ESM und Fiskalpakt wird sich also verschieben. Was jetzt schon bleibt, ist die Einsicht, dass noch jede Menge Arbeit auf die Abgeordneten zukommt.