Wahl in Libyen: Die Macht der Frauen

In Libyen werden die ersten freien Wahlen nach 40 Jahren Diktatur unter Gaddafi abgehalten. Zur Auswahl stehen 140 Parteien und 3.700 Kandidaten, darunter nicht wenige Frauen. Spätestens seit ihrer Teilnahme am Sturz Gaddafis spielen Frauen in der Politik eine immer größere Rolle. In der islamisch-konservativen libyschen Gesellschaft ist das fast eine zweite Revolution.

Morgenjournal, 7.7.2012

Aus Libyen berichtet

Rolle der Frauen verändert

Wafa Taybe An-Na´-as leitet eine kleine Wahlveranstaltung in Tripolis. Die Kandidatin einer islamisch-konservativen Partei spricht über ihr Programm. Erst der Aufstand gegen Gaddafi und jetzt die heutigen libyschen Wahlen haben im konservativen und sehr traditionellen nordafrikanischen Land frauenmäßig so einiges auf den Kopf gestellt, sagt Wafa. „Die Revolution hat die Rolle der Frauen verändert. Die Frauen saßen ängstlich zu Hause und fürchteten, dass im öffentlichen Raum schlecht über sie geredet wird. Aber in der Revolution haben die Frauen ganz einfach mitgemacht“.

Quote eingeführt

Das wirkt sich auch auf das Wahlgesetz aus. Danach mussten auf den Parteilisten zur Hälfte Frauen aufgestellt werden. Eine zweite kleine Revolution. Damit ist sichergestellt, dass mindestens 40 Frauen ins erste 200sitzige Parlament einziehen. Auch für die restlichen parteiunabhängigen Sitze treten 85 Frauen an.

Obwohl sie einer islamisch-konservativen Partei angehört, beklagt Wafa einige der libyschen Traditionen. „Die Möglichkeiten der Frauen im Berufsleben sind beschränkt. Meist darf sie nur dann arbeiten, wenn die Familie das Geld dringend braucht. Aber nicht weil sie das Recht auf Arbeit hat. Und ihr Bruder oder Vater kontrolliert streng, wann sie das Haus verlässt. Und wenn sie mit den Männer diskutiert. Dann heißt es: das gehört sich nicht“.

Führungsrolle übernehmen

An einem der Strände von Tripolis. Die Frauen gehen hier, wenn überhaupt meist nur voll bekleidet ins Wasser. Im Strandclub sitzt Intisar Beit Al-Mal, die unabhängige Kandidatin kommt aus der liberalen Ecke. Die Elektroingenieurin hat es von ihrer Arbeit gelernt, sich in einer Männerwelt durchzusetzen. „Wenn die Frau gebildet ist und stark dann sollte sie auch eine Führungsrolle in der Gesellschaft übernehmen. Warum soll sie sich im Hintergrund verbergen“.

Querschüsse bleiben nicht aus

Die Gesichter der Kandidatinnen auf manchen Wahlplakaten wurden mit Farbe überschmiert. Wafa schüttelt den Kopf. „Manche glauben, dass es ein Sünde sei, das Gesicht der Frau zu sehen. Das sind Extremisten. Aber manchen geht es vielleicht auch nur darum ihre Konkurrenz auszuschalten, einfach weil sie Angst vor uns haben“.

Für Intisar steckt eine kleine Minderheit libyscher Männer dahinter: „Die sind Zurückgebliebene. Es gibt welchen die wollen nicht, dass Frauen an der Politik teilnehmen. Sie wollen nicht akzeptieren von einer Frau geführt zu werden. Am besten ist es, sie zu ignorieren und auf dem Weg der Frauen weiterzugehen“. Sie ist zuversichtlich, dass die Tendenz der Beteiligung von Frauen an der Politik steigend ist.

Wenn die Frauen gut und erfolgreich im ersten Parlament arbeiten, dann werden das nächsten Mal sicherlich noch mehr Frauen gewählt, auch von den Männern. In wenigen Tagen werden wir wissen, wie viel Frauen es geschafft haben, als stolze weibliche Abgeordnete im ersten frei gewählten libyschen Parlament ihren Sitz einzunehmen.