Direkte Demokratie: Wann das Volk befragen?
Ungewohnt vorsichtig sind die Grünen dieser Tage beim Thema direkte Demokratie. In Wien will die rot-grüne Stadtregierung das Volk erst befragen, nachdem die Zonen, in denen Parkgebühren anfallen, erweitert worden sind. Die grüne Bundespartei gibt Wiens grüner Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou Rückendeckung, und auch für den Politikwissenschaftler Peter Filzmaier geht diese Vorgangsweise in Ordnung.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 18.7.2012
Kein Widerspruch zu Demokratie
Die Grünen und die Basisdemokratie - da passt normalerweise kein Blatt Papier dazwischen. Die Partei entstammt mehreren Bürgerbewegungen. Deshalb ist der Weg, der jetzt in Wien gegangen wird, ein ungewöhnlicher. Zuerst handeln, dann das Volk fragen, lautet das Motto der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou in Sachen Parkpickerl. Bei der Bundespartei findet man da nichts dabei. Die grüne Verfassungssprecherin Daniela Musiol "steht voll dahinter" und sieht keinen Widerspruch zur Demokratie. Eine Regierung und ein Parlament müsse Entscheidungen treffen können.
Direkte Demokratie bedeutet für Musiol das nicht unbedingt, dass das Volk in allen Belangen allein entscheidet: Das Grüne Modell sehe da ein Miteinander vor. Wenn Menschen eine Initiative starten, müssten sie sich auch mit den Regierenden und mit dem Parlament auseinandersetzen und auch umgekehrt, um gemeinsam Lösungen zu finden.
Ob die Grünen in Sachen Parkpicklerl deshalb auf der Bremse stehen, weil sie Angst haben, dass die Bevölkerung die Regelung ablehnt? Musiol verneint naturgemäß: "Angst ist da keine Kategorie." Menschen brauchten manchmal mehr Informationen und Austausch, und das werde man in der Politik suchen müssen.
Varianten abfragen
Dass erst die Politik entscheidet und dann das Volk befragt wird, ist für Politikwissenschaftler Peter Filzmaier "eine sinnvolle Mischform" zwischen repräsentativer und direkter Demokratie. Der Weg dorthin sei allerdings ein "holpriger Zickzackkurs" gewesen. Um das Volk in sinnvoller Art und Weise einzubinden, sei eines wichtig: keine Ja-Nein-Fragen, so Filzmaier. "Mit Fragen wie 'Wollen sie Gebühren zahlen oder lieber doch nicht?' ist dem Populismus Tür und Tor geöffnet." Das widerspreche auch der Stadtverfassung. Man könne aber etwa bei Verkehrsfragen wie die Parkraumbewirtschaftung mehrere Lösungsvarianten in einer Volksbefragung zur Diskussion stellen.
Dass Ja-Nein-Fragen wenig sinnvoll seien, zeigt sich für Filzmaier am Beispiel der jüngsten Grazer Volksbefragung. Da wurde die Bevölkerung gefragt, ob die Stadt die Reininghaus-Gründe kaufen soll, oder nicht. Die Bevölkerung sprach sich dagegen aus. Aber was jetzt? "Das ist noch keine Lösung. Die Gründe gibt es in Graz noch immer. Was damit geschehen soll, weiß keiner." Am besten wäre, mehrere Lösungsvarianten zu erarbeiten, und die dann dem Volk vorlegen, so Filzmaier.