Arzneimittel für Kinder zu wenig getestet
Bis zu neunzig Prozent der Medikamente sind für Kinder nicht zugelassen. Eine EU-Richtlinie schreibt unter anderem vor, dass alle neuen Medikamente an Kindern getestet werden müssen, bevor sie zugelassen werden. Für solche speziellen Studien wird nun ein Forschungsnetzwerk gegründet, finanziert von Gesundheitsministerium und Pharmaindustrie.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 20.08.2012
Grundlegende Medikamente für Kinder fehlen
Besonders wenige spezielle Medikamente gäbe es für früh- oder neugeborene Kinder, so Reinhold Kerbl, Kinderfacharzt am Landeskrankenhaus Leoben und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde: "Es geht um selbstverständliche Medikamente wie zum Beispiel Schmerzmittel, Narkosemittel, Antibiotika für Neu- und Frühgeborene oder sogar Vitaminpräparate."
Nun nehmen sich Gesundheitsministerium und der Verband der Pharmazeutischen Industrie des Themas an und finanzieren ein Forschungsnetzwerk - auf fünf Jahre mit jährlich 150.000 Euro. Für Gesundheitsminister Alois Stöger von der SPÖ ist die Kooperation zwischen Kinderheilkunde und Medikamentenherstellern grundlegend für Studien zu kindertauglichen Medikamenten.
Kinderfacharzt: "Kinder in Studien sicher"
Kerbl weist auf die Problematik hin, dass man auf der einen Seite Arzneien wolle, die speziell für Kinder geeignet sind, auf der anderen Seite Eltern aber davor zurückschrecken würden, ihre Kinder für die erforderlichen Studien testen zu lassen. "Bisher war es ein Problem, dass Eltern ihre Kinder in Studien als 'Versuchskaninchen' gesehen haben. Dieses Image müssen wir ändern. Kinder sind nirgends sicherer als in Studien. Dieses Bewusstsein müssen wir schärfen."
Angesiedelt ist das Forschungsnetzwerk als Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Nach fünf Jahren Finanzierung durch Bund und Industrie hofft man, sich selbst durch Studien und Geld aus der Pharmawirtschaft finanzieren zu können.
Für die Pharmaindustrie bedeutet das Engagement im Forschungsnetzwerk, dass sich für neu zugelassene Medikamente der Patentschutz um ein halbes Jahr verlängert. Die EU-Verordnung verpflichtet Pharmaunternehmen, alle neuen und geänderten Medikamente auch für Kinder zu testen.