Begutachtungsstelle: Fußfessel problematisch

In der Justiz will es niemand so direkt sagen, aber auch dort halten viele die Fußfessel für einen Vergewaltiger für problematisch. Der Leiter der Begutachtungsstelle für Sexualstraftäter sieht eine mögliche Gesetzeslücke. Anlass der Diskussion ist ein Mann, der eine Minderjährige vergewaltigte, und seine Strafe nicht im Gefängnis, sondern im Hausarrest absitzt.

Morgenjournal, 23.8.2012

Generalprävention spielt bei Beurteilung keine Rolle

Ob ein Verurteilter eine Fußfessel bekommt, hängt von nur einer wesentlichen Frage ab: Wie schätzt die Justiz die Gefahr ein, dass er die Fußfessel missbrauchen könnte. Generalprävention hingegen dürfe keine Rolle spielen, also die allgemein abschreckende Wirkung, die eine Strafe - in diesem Fall die Fußfessel - haben soll, sagt Reinhard Eher, Leiter der Begutachtungsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter der Justiz: "Generalpräventive Überlegungen spielen dabei keine Rolle. Wenn der eine oder andere Täter eine mildere Vollzugsform bekommt, könnte die natürlich so ankommen, dass man das Gefühl hat, ein Täter wird allenfalls gar nicht bestraft."

Eine mögliche Gesetzeslücke, meint Eher. Zumal die Generalprävention sehr wohl eine Rolle spiele, wenn die Justiz jemanden vorzeitig, nach der halben Haftstrafe, aus dem Gefängnis entlässt. Eher versteht auch die Kritik von Opferschützerinnen, dass es fatal sein könne, wenn ein Täter mit einer Fußfessel davonkommt.

Vorwürfe offenbar nicht berücksichtigt

Die von Reinhard Eher geleitete Begutachtungsstelle versucht grundsätzlich aus dem Verhalten von Tätern in der Vergangenheit Rückschlüsse auf ihre Zukunft zu ziehen. Das Ergebnis sei nicht eine Rückfallwahrscheinlichkeit sondern eine Wiederverurteilungswahrscheinlichkeit: "Wir können mit sehr hoher Zuverlässigkeit Niedrigrisikokategorien definieren, von denen wir wissen, zum Beispiel dass weniger als ein Prozent innerhalb zum Beispiel von fünf Jahren mit einem gravierenden Sexualdelikt wiederverurteilt wird. Bei unserer Höchstrisikokategorie können wir mit sechzig, höchstens siebzig Prozent Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass jemand mit einem Sexualdelikt wiederverurteilt wird."

Was den Vergewaltiger aus Salzburg betrifft, ist die von der Begutachtungsstelle angegebene Wahrscheinlichkeit nicht bekannt, dürfte aber unter fünf Prozent gelegen sein. Die Fußfessel-Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz soll aber auch damit begründet sein, dass der 51-Jährige seit mehreren Jahren nicht mehr angezeigt wurde, nämlich während er durch Einsprüche seine Haftstrafe verhindert hat. Nicht berücksichtigt wurden wohl Vorwürfe, dass es fünf Opfer gegeben haben soll, dass seine Frau ihm beim Missbrauch geholfen haben soll und dass er laut "Kronenzeitung" nahe einem Kinderheimes leben soll.

Dass die Generalprävention bei Fußfessel-Genehmigungen keine Rolle spielen darf, wird vom Strafrechtler Helmut Fuchs bestätigt. Er ergänzt aber: Ab einem Jahr unbedingter Haftstrafe müssen Täter automatisch zumindest einen Teil im Gefängnis absitzen. Es stelle sich die Frage, warum ein mehrfacher Vergewaltiger ursprünglich nur zu acht Monaten unbedingt verurteilt wurde.

Morgenjournal, 23.8.2012

Das Vergewaltigungsopfer im Interview mit dem Landesstudio Salzburg.

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