Hong Kong: Widerstand gegen China

Bei den Wahlen zur Volksvertretung in Hong Kong haben die demokratischen Oppositionsparteien überraschend eine Niederlage erlitten. Grund dafür sind vor allem interne Streitereien der Opposition, die mehr Abstand von Peking fordern. Viele Bürger der Stadt sehen die weitreichenden Freiheiten zunehmend gefährdet.

Mittagsjournal, 10.9.2012

Proteste gegen Peking-freundliche Politik

Es hätte die Stunde der demokratischen Opposition in Hong Kong werden können. Stattdessen wurde es eine Niederlage. Weil sich die Oppositionsparteien untereinander unversöhnlich geben, weil sie in Wahlkreisen gegen einander angetreten sind. Und weil die Peking-freundlichen Kräfte in Hong Kong einfach besser organisiert und finanziert sind. Dabei sind sich viele in Hong Kong einig: Seit der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China vor 15 Jahren waren die Unmutsbekundungen in der Öffentlichkeit nie lauter. Eine Bewegung an kritischen Bürgern ist entstanden, die größer als je zuvor ist und die bereit zu sein scheint, die Peking-freundlichen Stadtväter immer weiter herauszufordern. Ihnen wirft man vor, mit der kommunistischen Führung in Peking unter einer Decke zu stecken.

Tagelang hatten hunderte Schüler, Studenten und Lehrer vor dem Regierungssitz im Zentrum Hong Kongs zuletzt campiert. Tag für Tag wurden sie von tausenden Eltern besucht, die sich solidarisch erklärten. Zehntausenden waren zeitweise auf den Straßen, um gegen die geplante Reform der Lehrpläne zu demonstrieren. Die Hong Konger Stadtväter wollten nach Zurufen aus Peking ein neues Unterrichtsfach einführen, um Schülern die jüngere Geschichte Chinas näher zu bringen. Die Anleitungen für Lehrer waren bereits gedruckt: Darin zu lesen eine scharfe Kritik an der Mehr-Parteien-Demokratie und Lobgesänge auf Chinas kommunistische Partei.

Patriotismus-Unterricht ersatzlos gestrichen

Nach dem Druck der Straße will Hong Kongs Regierungschef Leung Chun-Ying die Pläne vorerst aussetzen. Doch wollen die Demonstranten ihren Widerstand fortsetzen, erzählt uns ein junger Mann "Die Pläne zum Patriotismus-Unterricht müssen ersatzlos gestrichen werden. Ziel dieses Unterrichts ist einzig und allein die Gehirnwäsche unserer Kinder. Peking steckt hinter diesen Plänen. Unsere Proteste zeigen, dass wir Hong Konger eine eigene Identität entwickelt haben und uns eben nicht als Teil Chinas sehen." Ein Familienvater mit seiner Tochter an der Hand berichtet uns Ähnliches: "Die Art wie wir in Hong Kong leben, wie wir denken, das lässt eine immer größere Kluft entstehen zwischen uns und den Chinesen auf dem Festland. Doch der Abstand zwischen den Hong Konger Politikern und den Führern in Peking wird immer geringer. Auf Befehl Pekings will man versuchen unser Denken zu kontrollieren. Aber anders als auf dem Festland sind wir mutig, fordern wir Autoritäten heraus."

Schwierige Beziehungen

Die Animositäten zwischen Hong Kong und Festlandchinesen nehmen jedenfalls zu. Und es geht nicht nur um hohe Politik. Dass reiche Chinesen vom Festland in Hong Kong Wohnungen kaufen und damit die Immobilienpreise in die Höhe treiben. Dass Frauen aus dem Festland versuchen in Hong Konger Krankenhäusern ihre Kinder auf die Welt zu bringen, damit die automatisch die heiß begehrte permanente Aufenthaltserlaubnis in der Sonderverwaltungszone bekommen. Dass Touristen vom Festland in Hong Konger U-Bahnen essen oder auf die Straßen spucken. Das alles ärgert die Bewohner der Stadt. Und auch wenn man an den chinesischen Brüdern, die als Touristen kommen bestens verdient – beliebt sind sie nicht. Und auch wenn Hong Kong ohne den wirtschaftlichen Giganten im Hinterland seine Stellung als ein Weltfinanzzentrum kaum mehr halten könnte. Die Vision Pekings, auch die emotionale Kluft zwischen den Bewohnern Hong Kongs und den Verwandten auf dem Festland langsam zu verringern. Sie scheint derzeit wenig realistisch.