Reaktionen auf Kurz-Vorschlag
Der Vorstoß von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) im heutigen Morgenjournal sorgt für Diskussionen: Kurz will, dass Kinder, die schlecht Deutsch können, vor der regulären Volksschule ein Jahr Vorschule absolvieren. Und ältere zugewanderte Schüler sollen bei Bedarf drei- bis sechsmonatige Kurse belegen. Die Reaktionen sind gemischt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 17.09.2012
Lob und Kritik von Expertem
Werner Wintersteiner ist Professor für Deutsch-Didaktik an der Universität Klagenfurt. Ein Wissenschafter also, der angehenden Lehrern beibringen soll, wie man Deutsch lehrt. Wintersteiner begrüßt es, dass der Staatssekretär sich dieses offensichtlich brennenden Problems annehme. Er hofft aber, dass es nicht unter populistischen Vorzeichen passiere. Doch die Kritik des Erziehungsexperten folgt auf dem Fuß: Im Volksschulalter sei es fast schon ein bisschen spät für die Maßnahme, beim Kindergarten müsse man ansetzen, sagt Werner Wintersteiner. Drei Jahre Gratiskindergarten, Uniabschluss als Voraussetzung für den Job als Kindergartenpädagoge, Reform der Lehrerausbildung auch unter dem Gesichtspunkt der Integration – das alles wäre zielführender als der Vorschul-Vorschlag des Staatssekretärs, meint der Klagenfurter Didaktikprofessor. Allerdings: Als nachgerade integrationsschädlich will Wintersteiner den Kurz-Vorschlag nicht bezeichnen. Wintersteiner würde es aber bedauern, wenn die Idee der Mehrsprachigkeit zurückgedrängt werden würde.
Ministerin Schmied skeptisch
Von der Wissenschaft zur Politik. Unterrichtsministerin Claudia Schmied, SPÖ, klingt wenig begeistert von Kurz' Idee – ein Jahr Vorschule bzw. mehrmonatige Crashkurse, bei zu wenig Deutschkenntnissen. Sie erklärt: "Ich denke, da sollten einmal die Expertinnen und Experten und die Praktiker zu Wort kommen. Das, was ich sehr stark aus der Praxis höre, ist, dass integrativ die Sprachförderung sehr gut gelingt und dass jetzt auch die Sprachförderung im Kindergarten ihre Früchte trägt." Weiters verweist Schmied auf die mit Werner Amon (ÖVP) ausgearbeitete, gesetzlich fixierte Sprachförderung und das verpflichtende Kindergartenjahr. Die Unterrichtsministerin stellt klar: "Ich halte nichts von Ausländerklassen, wenn man die Diskussion in diese Richtung treiben will."
Grüne gegen Ausgrenzung
Der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser, bezeichnet den Kurz-Vorschlag zwar als Rückschritt – sagt aber auf Nachfrage dann doch: Unter Umständen muss es schon zeitweise heißen: Raus aus dem Klassenverband. "Kinder, das ist wissenschaftlich erwiesen, lernen am meisten von anderen Kindern. Und wenn ein fünf-, sechsjähriges Kind eine Sprache lernen soll, dann lernt es das am besten, wenn es mit anderen Fünf-, Sechsjährigen zusammen ist, und das muss die Schule fördern. Und von daher wäre Ausgrenzung der falsche Weg", meint Walser. "Es ist natürlich so, dass wenn Kinder überhaupt keine Sprachkompetenz haben, es sinnvoll sein wird, sie für ein paar Wochen speziell zu fördern. Aber auch hier gilt: Prinzipiell am besten innerhalb eines Klassenverbands", sagt der Bildungssprecher der Grünen Harald Walser.
Und FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz begrüßt heute Vormittag in einer Pressekonferenz den Kurz-Vorstoß. Integration laufe am besten über die gemeinsame Sprache.