Griechenland: Einführung der 6-Tages-Woche
Mitglieder der EU-Troika fordern von der griechischen Regierung weiter radikale Änderungen im Arbeitsrecht, bei Pensionen und Entlassungen im Staatswesen. Zum Beispiel die Wiedereinführung der Sechs-Tage-Woche und eine Ausweitung der täglichen Arbeitszeit auf 13 Stunden. Doch dagegen bildet sich starker Widerstand.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 17.09.2012
Prekäre Arbeitsverhältnisse
Zeta Giatagana ist Modedesignerin, sie hat lange Jahre für eine große griechische Modekette gearbeitet, mit über einhundert Filialen im In- und Ausland. Doch die Arbeitsbedingungen waren lausig, erzählt sie: "Die Dienstreisen zum Beispiel! Es konnte sein, dass mir der Chef in der Früh sagt: "ich habe ganz vergessen dir zu sagen, du fliegst um eins nach London." Der Rückflug ging dann meist am nächsten Morgen vor Tagesanbruch, damit ich auch ja rechtzeitig um acht Uhr wieder am Arbeitsplatz war. Die ersten Jahre sind uns außerdem die Tage, an denen wir auf Dienstreise waren, vom Lohn abgezogen worden. Weil wir an diesen Tagen ja nicht stempelten."
Die Designerin arbeitete im Durchschnitt fünfzig Stunden pro Woche, und Urlaub gab es bloß, wenn die Firma im August für zwei Wochen schloss. Der restliche Urlaub verfiel. Doch wie so oft in Griechenland gab es keinen Betriebsrat, und so gab es auch nicht viele Klagen, denn wer aufbegehrte, war bei den nächsten Entlassungen ganz oben auf der Liste.
Experte: "Krise war geeigneter Anlass"
Eine extreme Situation aber keine untypische, bestätigt der Arbeitsforscher Giannis Kouzis. Mit problematischen Arbeitsverhältnissen kennt er sich aus. Auch der Vorschlag, die Sechs-Tages-Woche wieder einzuführen, erstaunt ihn nicht weiter:
"Die Krise und das Memorandum waren ein geeigneter Anlass, um eine Reihe von Arbeitsmarktreformen durchzusetzen, die im Grunde schon lange in der Pipeline waren. Ziel ist die maximale Flexibilisierung des griechischen Arbeitsmarkts und die größtmögliche Absenkung der Löhne, um große Investoren anzulocken. Für die ist Griechenland attraktiv, denn im Vergleich zu anderen Billiglohnländern gibt es hier hochqualifizierte Arbeitskräfte."
Widerstand bei Bevölkerung und Regierung
Wie die Sechs-Tage-Woche in der Praxis aussehen könnte, ist noch nicht klar. Vermutlich geht es aber um eine Flexibilisierung der wöchentlichen Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer kommt mal mehr, mal weniger Tage in die Arbeit. Je nach Bedarf, ohne dass für die Arbeit am Samstag eine Wochenendzulage fällig würde. Bislang stößt der Vorschlag der Troika nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei der Regierung auf Widerstand. Der Arbeitsforscher Giannis Kouzis rechnet dennoch damit, dass die Reform über kurz oder lang kommt, und sei es in abgemilderter Form.
Das Problem der griechischen Wirtschaft wäre damit aber nicht gelöst, sagt er und plädiert vielmehr für eine Ankurbelung der Nachfrage durch höhere Löhne und für öffentliche Investitionen: "Es mag schon sein, dass ein Arbeitsmarkt, der in Schutt und Asche liegt, für private Investoren besonders attraktiv ist. Aber wollen wir so unsere Wirtschaft wieder aufbauen? Meiner Meinung nach müssen wir Forschung und Innovation unterstützen und nicht Billigarbeit. Und wir brauchen dringend öffentliche Investitionen. Denn wenn der Staat in der Krise nicht lenkend eingreift und wir darauf warten, dass wohlmeinende Investoren auftauchen, ist die Sache verloren."