Menasse: Der Europäische Landbote

Ein Jahr lang hat der Autor Robert Menasse in Brüssel gelebt, um einen Roman über das Leben im Zentrum der EU zu schreiben. Statt verknöcherten Eurokraten fand er eine schlanke Bürokratie, hochqualifizierte Beamte und offene Türen – und Menasse wurde zum begeisterten Europäer. Dem geplanten Roman hat Menasse den Essay "Der Europäische Landbote" vorausgeschickt.

Der "Europäische Landbote" - das ist eine Streitschrift gegen den Rückfall in die Kleinstaaterei und den Nationalismus.
Robert Menasse erklärt: "Europa ist ein Friedensprojekt und dieser Friede ist nur möglich, wenn der Nationalismus grundsätzlich und in letzter Instanz, der Nationalstaat zurückgedrängt wird. Friede dem Kontinent und Kampf den Spekulanten und den verantwortungslosen Finanzinstituten."

Ein Aufruf in Analogie zu Büchners "Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" - Die Krise der EU - das ist jedenfalls keine Finanzkrise, sondern eine politische Krise, sagt Robert Menasse, eine Krise des "nicht mehr - noch nicht. Nicht mehr ausreichende nationale Souveränität, noch nicht ausreichend gemeinschaftliches politisches Instrumentarium." Dazu gehören eben auch eine gemeinsame Wirtschafts-, Finanz und Steuerpolitik.

Wenig Gedanken an Kultur

Die Ressorts sollten teilweise neu bewertet werden. Das Kulturressort etwa ist nicht nur schlecht finanziert, es wird auch innerhalb der Kommission wenig ernst genommen. Wenn bei einer Kommissionssitzung zum Beispiel der Kommissar für Wettbewerb oder der Kommissar für Landwirtschaft auf die Toilette muss, wird die Sitzung unterbrochen, bis er zurück ist. Wenn aber die Kommissarin für Kultur auf die Toilette muss, wird einfach weiterdiskutiert, berichtet Robert Menasse.

Bleibt die Frage: Sind Europas Probleme nach dem Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts weniger geworden, ist die Einheit Europas damit einen Schritt weitergekommen?

Robert Menasses Meinung dazu ist, dass wir zumindest durch das Urteil Zeit gewonnen haben und hegt große Hoffnung, dass die Krise weiter einen so starken Druck produziert, dass jetzt kurzfristig Entscheidungen möglich werden, die in den Jahren davor nicht denkbar waren, weil sie als zu utopisch galten.

Sprich: die Stärkung des Europäischen Parlaments und die Abschaffung des Europäischen Rates.

Robert Menasse hat diese Diskussion mit seinem "Europäischen Landboten" jedenfalls einen starken Impuls gegeben. Fortgesetzt wird Anfang Oktober mit weiteren Essaybänden zum Thema von dem deutschen Soziologen Ulrich Beck und den beiden EU Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit und Guy Verhofstadt.